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Literaturforum: Lebensgeheimnisse


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 Thema: Lebensgeheimnisse
1943Karl
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Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 25.06.2008 um 16:54 Uhr

Ach, waren das Zeiten! Sexuelle Aufklärung war noch eine Sensation und Eltern wurden rot und begannen aus Ehrfurcht vor dem Geheimnis des Lebens zu stottern, wenn der Nachwuchs die entscheidende Frage zu stellen wagte: Sag mir, woher die kleinen Kinder kommen?
Wie aber soll heute die Frage nach dem Leben noch jene sensationelle Bedeutsamkeit entwickeln? Die sittlich komplizierte Umschreibung über lange biologische Um- und Irrwege riefe allenfalls mitleidiges Lächeln bei den längst wissenden Aufzuklärenden hervor.
Vielleicht helfen (im übertragenen Sinne, versteht sich) doch noch der Klapperstorch oder die über Jahrzehnte nahezu sprichwörtlichen Bienen mit ihrer sexualaufklärerisch relevanten Bestäubungstätigkeit!?
Immerhin tragen Geheimnisvolles und Verschlüsseltes zu einer gewissen höheren Bedeutung bei. Denn Bedeutendes will gesucht werden. Zeitaufwendige Suche verlängert die Vorfreude auf den Fund und belohnt ausdauernde Sucher für ihr langes Warten mit Entdeckerglücksgefühlen.
Besonders auffällige Blüten werden eher von Honig suchenden Bienen angeflogen. Und Storchennester auf alles überragenden Schornsteinen sind selbst ohne Störche kaum übersehbar. Fortpflanzungssymbole verführen immer wieder zum Lebensspenden. Nicht umsonst lockt Werbung (Sex sells) mit Animation zur Fortpflanzung.
Wer nicht mit fortpflanzungsrelevanten Signalen und Symbolen aufwartet, wird in der Masse der ständig wachsenden menschlichen Weltbevölkerung verschwinden. Urform aller Werbung ist nun einmal das Balzen.
Und Balzen besteht immer aus Anlocken und dem zeitweiligen Glauben des Angelockten am Ziel seiner Wünsche zu sein. Doch gerade dann entzieht die Lockende ihm wieder ihr Angebot, bis sie sich schließlich dem Balzenden gnädig so ergibt, dass jener glaubt, er könne eine echte Eroberung feiern.
Fernsehkameramänner suchen in Menschenmengen von Massenveranstaltung tiefe Dekolletees, während sie über unauffällig graumäusige Frauen hinwegschwenken, immer auf der Suche nach weiteren rekordverdächtigen Außergewöhnlichkeiten.
Genau diese Suche wird in unserer angeblich individualistischen Massengesellschaft immer schwieriger, nicht zuletzt, weil inzwischen fast jede Frau mit von Natur aus ansehnlichen oder durch chirurgische Eingriffe oder per Miederwaren ansehnlich gemachten Brüsten möglichst viel ihrer sekundären Geschlechtsmerkmale lockend zur Schau stellt.
Doch Auffälligkeit kennt nur eine Feindin. Die Gewöhnung.
Immerhin empfinden psychisch normal begabte Zeitgenossinnen und -genossen eine heftige narzisstische Kränkung, wenn sie anderen Menschen so wenig bedeuten, dass diese nicht (einmal heimlich) aufsehen, wenn sie sich ihnen nähern.
Nun gibt es in unserer so genannten Dienstleistungsgesellschaft inzwischen Heere von Coaches, Farb-, Verhaltens-, Persönlichkeits-, Marketing-, und Imageberatern, die alle ihre Dienste für jene Leute anbieten, die ihrer persönlichen Bedeutung endlich Bedeutung verschaffen wollen.
Allerdings wirkt das kapitalistisch massengesellschaftliche Phänomen der Nivellierung einer vermeintlichen und gewünschten Individualisierung heftig entgegen und ist, beschleunigt durch die Globalisierung, der Tod aller Originalitäten.
Menschliche und andere Originale existieren allenfalls noch versteckt in den Urwäldern Amazoniens oder lassen sich auf einsamen Inseln sowie entlegenen Landstrichen und in Museen entdecken. Und wird ein unbekannter Indianerstamm aufgefunden, beeinflussen Entdecker jene Ureinwohner so lange, bis sie nur noch Einwohner sind, die sich von ihrem Ursprung gelöst haben. Einige Originale davon kommen ins Freilichtmuseum – genannt Reservat, um in der Regel auch dort nach wenigen Generationen auszusterben. Die übrigen vermischen sich irgendwann mit der Masse.
Wird also der in Massen auftretende Durchschnittsmensch demnächst gar ein hellbrauner, in Folge von dunklem Kraushaar und blondem Glatthaar leicht gelockter brünetter Primat mittlerer Schönheit sein? Wie reizlos!
Zu allem Übel finden alle Mitmenschen, die es zu einer gewissen erfolgreichen Einmaligkeit bringen, schnellstens massenhaft Nachahmer.
Bleibt uns wirklich nur noch der Weg in den globalen Ameisenstaat, in dem jedes Mitglied einer unpersönlichen Funktion nachzugehen hat? In dem wirtschaftliche Notwendigkeit reibungsloses Funktionieren erfordert und persönliche Besonderheiten nur noch in der Psychiatrie oder auf Bühnen der Nostalgie ausgelebt werden können. Wird Fantasie demnächst nur noch als Kreativität zur Verbesserung der Realitäten und nicht als Wert an sich gewünscht?
Fragen über Fragen, welche die Frage nach der persönlichen Bedeutung nahezu ersticken.
Dennoch bleibt die sowohl persönliche als auch die allgemein menschliche Zukunft (zum Glück) ein Geheimnis, selbst wenn Wissenschaftler sich gelegentlich den Anschein geben, als könnten sie mit höchster Wahrscheinlichkeit voraussagen, wie unser Leben in einhundert Jahren aussehen wird. Dabei blicken sie abschätzig auf jene Wahrsagerinnen herab, die Kaffeesatz und Handlinien lesen, obwohl sich auch wissenschaftliche Wahrheiten immer wieder als Irrtümer erweisen.
Selbst wenn das Geheimnis des Lebens irgendwann offenbar werden sollte, wird es wahrscheinlich auch nur unter dem Vorbehalt des Irrtums erkannt werden können.
Übrigens über skurrile Irrtümer kann man es ebenfalls zu einer gewissen Bedeutung bringen.
Ich habe einige Kinderjahre lang an den Klapperstorch geglaubt und ihm sogar Zuckerstücke auf das Fenstersims gelegt, wollte ich doch unbedingt, dass er mir (Einzelkind) eine kleine Schwester bringt. Die Schwester brachte er nicht. Aber mein mit Nachdruck vertretener Glaube an ihn, brachte mir immer wieder die Aufmerksamkeit und allerdings auch das Gelächter der Aufgeklärten ein. Dennoch ich erzähle bis heute gern davon, selbst wenn ich mich dabei als sentimentaler Nostalgiker oute.


Bei jedem Irrtum gewinnt die Wahrheit Zeit.
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