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Literaturforum: Morgenstund´ hat Geld im Mund


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Forum > Prosa > Morgenstund´ hat Geld im Mund
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 Thema: Morgenstund´ hat Geld im Mund
Nannophilius
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995 Forenbeiträge
seit dem 01.06.2004

Das ist Nannophilius

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Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 05.07.2006 um 11:05 Uhr

Am frühen Morgen stehen Leute in einer Stadt Japans im kalten Wind.
Sie warten in großer Hoffnung auf einen Gelegenheitsjob in Gruppen.
Fast alle sind Schwarzarbeiter aus China, Südkorea, den Philippinen,
Die da tagaus, tagein als Handlanger von der Hand in den Mund leben.
Die Brotgeber erscheinen dann meistens mit einem kleinen Transporter
Und wählen sich aus junge, gesunde, kräftige, rüstige Hilfsarbeiter,
Die keine allzugroßen Ansprüche zu stellen pfelgen, eher froh sind,
Dass sie überhaupt eine Tagesbeschäftigung und einen Verdienst haben.

Wenn die fremden Arbeitswilligen nicht noch in aller Frühe werden abgeholt,
Ist der Tag halt für sie abgelaufen, die sich nun auf morgen trösten müssen.
Falls das Wetter es nicht gut mit diesen meint, so gehen sie auch leer aus,
Da die allgemeine Nachfrage nach den Arbeitskräften schlagartig zurückgeht.
Dann lungern die Unbeschäftigen den ganzen trostlosen Tag in Scharen herum
Oder greifen vor lauter Langweile von früh nach einer Flasche Wein, Rum
Und berauschen sich so allmählich am spottbilligen, aber schweren Spiritus,
Ertränken ihren Müßiggang in Alkohol; einzig möglicher Ausweg mit Genüssen.

Erst wenn der lange Tag zur Neige geht, kehren sie da zurück in ihre Buden,
Die weder eine auch primitive Heizung noch irgendwelchen Komfort aufweisen.
Die illegalen Gastarbeiter nehmen noch schnell zu Abend etwas Fadennudeln,
Waschen sich dann mit kaltem Wasser, lassen sich auf die Strohmatte fallen,
Blättern ein paar Minuten gedankenlos in der fremdsprachigen Zeitung herum
Oder lehnen sich an die kahle Wand, starren auf den flimmernden Bildschirm
Und schlagen mutterseelenallein die Zeit tot, bis versummt das Fernsehen.
Nun decken sie sich mit einer warmen Wolldecke zu, versuchen einzuschlafen.

Akademiker, Staatsbeamte, biedere Angestellte waren diese Mitleiderregenden,
Die fähigen Jungen Platz machen mussten oder frühzeitig pensioniert wurden.
Da sie ihre Familien nicht mehr genug ernähren können in ihrem Heimatland,
So reisen sie zunächst als Touristen ein in dieses steinreiche Inselland,
Halten unverzüglich Ausschau nach einer passenden, sicheren Beschäftigung
Und tauchen dann einfach unter nach dem Ablauf der Aufenthaltsbewilligung.
Wenn ihnen das Geld ausgeht, können nicht umhin, jeden Job zu akzeptieren.
Sonst müssen sie auf der Straße sitzen und letzten Endes gewiss krepieren.

Wegen des hohen Lebensstandards lässt ich in Asien Yens Wechselkurs sehen,
Was die mittellosen Männer aus der Dritten Welt interessiert in hohem Maße.
So lassen die heimlich Schuftenden über sich ergehen harte Körperarbeiten,
Die dreckigsten, anstrengendsten, menschenfeindlichsten und unmöglichsten.
Die schlauen Dienstherren nützen ihre Hilflosigkeiten in vollen Zügen aus
Und stellen unter den menschenunwürdigsten Bedingungen an die Ausweglosen
Ohne Kranken-, Unfallversicherung, einen verpflichtenden Vertragsabschluss.
Für Brotgeber sind sie leibeigene Roboter, armselige Wesen dritter Klasse.

Für die Fahndundsbehörden sind es ohne Zweifel ein leichtes Spiel,
Gesetzwidrige ausfindig zu machen, sofort des Landes zu verweisen.
Jedoch sie spielen mit umliegenden Unternehmen mit offenen Karten,
Drücken da heuchlerisch beide Augen zu im gegenseitigen Interesse.
Die Fremdenpolizei hält sie in Angst und Bang nach Plan und Ziel,
Macht sie fügsam, willenlos mit allen Schikanen, Tücken und Listen.
Gewiefte Insulaner schlagen Kapitel aus ihrer Notlage, Sackgasse
Und saugen so bis auf das Blut aus die Verzweifelten, Trostlosen.

Für einen Hungerlohn schuften die beklagenswerten asiatischen Armenhäusler,
Geben doch fast nichts aus, legen den größten Happen auf die hohe Kante nur,
Dann und wann überweisen einen bestimmten Betrag an ihre Familienmitglieder,
Die sehnsüchtig aufs liebe Geld warten; ihre einzige finanzielle Nabelschnur.
Sie wähnen ihre Ernährer im Paradies, in dem Milch und Honig hervorsprudeln,
Haben gewöhnlich keine blasse Ahnung von ihrem unbeschreiblichen Hundsleben,
Da ihnen ihre Familienoberhäupter einen sorgenfreien Aufenthalt vorgaukeln
Und wie ein Grab schweigen, dass sie die Überweisung am Munde abzusparen haben.

Die Gelegenheitsarbeiter können des öfteren bloß ein paar Brocken Japanisch,
Worum sie sich ohnehin nicht bemühen, denn nur der Gedanke wird verhimmelt:
Innerhlab kürzester Zeit möglichst viel zu verdienen, beiseite zu legen,
In ihr Heimat zurückzukehren und finanziell auf eigenen Füßen zu stehen.
Drum leiden sie am Arbeitsplatz und im Alltag unter Verständigungsproblemen,
Werden wortkarg, schlucken alles runter, geraten in Vereinsamung allmählich.
Ihre fünf Sinne, Seelen bilden sich zurück, werden abgestumpft, verstümmelt.
Ihr Leben beschränkt sich auf gezwungene Funktionstätigkeit der Organismen.

Wenn ihre innneren Nöte allzu groß werden, dann wäre es ein leichtes Hüpfen,
Dass sie auf einmal auf alles pfeifen, sich und Familien zum Teufel wünschen,
Ihren Aufenthaltszweck, ihre vielversprechenden Pläne über den Haufen werfen,
Ihren minimalen Tagesverdienst sogliche zum Fenster hinauswerfen, vertrinken.
Ein paar von ihnen brechen letzten Endes sogar hinter sich alle Brücken,
Verzichten unter Umständen überhaupt auf ihre selbstverständliche Heimkehr.
Ihr Griff nach Alkohol artet in eine Sauforgie aus, nun keine Vernunft mehr.
Nur noch ein Häufchen Elend sind sie in Bälde, die hoffnungslos dahinsiechen.

Ums Jahr 1999


Leide nicht bewusst, sondern freue dich! Vergeude nichts, sondern erlebe alles!
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