Sehr geehrte Damen und Herren !
Mein Name ist Peter Nikolaus Kronenberger. Ich bin 41 Jahre alt, römisch-katholisch, verheiratet, und von Beruf selbstständiger Rechtsanwalt.
Ich habe Asthma. Das begann mit 5 Jahren mit Heuschnupfen, mit 14 wurde es Asthma. Dabei ist es bis heute geblieben. Wegen dem Asthma habe ich begonnen, zu lesen. Nicht weil es helfen würde, sondern nur um die Zeit totzuschlagen. Ins Freie durfte oder konnte ich nicht. Ich wäre lieber ins Freie gegangen, und hätte gespielt und gerauft, wie meine Altersgenossen. Internet gab es damals nicht und Fernsehn erst ab halb fünf. Also habe ich angefangen, zu lesen.
Mein Vater hatte sich eine richtige kleine Bibliothek zusammengekauft: Wissen ist Macht - Bildung macht frei ! Er war technischer Zeichner gewesen, 1980 ist er gestorben. Er laß übrigens - fast schon klassisch - den SPIEGEL gegen die FAZ. Den größten Teil der Bücher hat immer noch meine Mutter. Ich meine - womit sollte sie sonst die leeren Regale ausfüllen ? Und passieren tut den Büchern nichts. Sie werden garantiert nicht gelesen, und wenn meine Mutter endlich tot ist, kriege ich sie sowieso. Also können sie ruhig dort bleiben. Ich mag meine Mutter nicht sonderlich. Da bin ich mir mit meiner Frau einig: auch sie mag ihre Mutter nicht, und so bleiben uns Besuche bei oder von "zuhause" glücklicherweise erspart.
Etwa mit 16 Jahren habe ich angefangen, die ZEIT zu lesen. Der SPIEGEL wurde mir bald schon zu doof, die FAZ war mir damals zu konservativ. Der ZEIT verdanke ich recht viel, vor allem den Zeitläuften, den wissenschaftlichen Artikeln Gero v. Randows und den Rezensionen. "Damals lasen wir Rezensionen weil wir kein Geld für die Bücher hatten. Und heute lesen wir Rezensionen, weil wir keine Zeit mehr haben für die Bücher." Das sind fremde Federn, mit denen ich mich nicht schmücken möchte, ohne auf die Fremdheit hinzuweisen.
Von der ZEIT habe ich mich in den neunziger Jahren verabschiedet. Ich hatte ihr sogar einen Abschiedsbrief geschrieben. Der erhobene Zeigefinger war mir zu penetrant geworden, das Gutmenschentum zu widerwärtig in seiner Selbstgerechtigkeit. Heute kaufe ich sie alle Jahre mal wieder à la récherce du temps perdus - und schmeisse sie meist nach dem ersten Durchblättern wütend in den erstbesten Müllereimer. Heute lese ich die FAZ und bin ganz zufrieden damit.
Die ZEIT las ich auch noch, als ich Jura studierte. Warum ich Jura studierte ? Weil mir nichts besseres einfiel, und ich zum ernsthaften Arbeiten viel zu faul war - wie etwa 90 Prozent meiner Kollegen. Die erste Zeit meines Studiums jobte ich als Nachtwächter, dann konnte ich einen der begehrten HiWi-Jobs ergattern - hintenrum. Wie soll man etwa sonst an so einen Job kommen, wenn nicht "hintenrum" ? Ich war Hilfsbibliothekar im Soziologischen Institut der Uni Saarbrücken, von 1988 bis 1992. Das war eine schöne Zeit. Ich konnte etliche Bücher lesen, die ich mir nie hätte leisten können. Und als ZEIT-Leser konnte ich sogar mit den Soziologen mithalten. Den meisten ist nie aufgefallen, daß ich Jurist war. Aber irgendwann kommt es unausweichlich, das Examen. Ich bestand es nach gehörigen Exerzizien, wurde Referendar und Assistent an einem juristischen Lehrstuhl. Den Prof hatte ich durch die Soziologen kennengelernt - wieder "hintenrum". Wer reinkommt, ist eben drin!
Unter dem Vorwand einer Dissertation las ich mich unter freundlicher Anleitung meines Professors durch die Rechts- und Geistesgeschichte. Das letzte Buch, daß ich für meine Doktorarbeit exzerpierte, war: Grabmann, Martin: Die Geschichte der scholastischen Methode, Eichstädt, 1911, 2 Bd. Logisch, daß aus meiner Doktorarbeit nix wurde.
Rechtsanwalt bin ich geworden, weil ich im Referendardienst erkannt habe, daß die Ernennung zum Beamten ein Todesurteil ist, dessen Vollstreckung sich über ein komplettes Berufsleben hinzieht. Das ganze öde Jura-Studium hatte ich ertragen in der Hoffnung auf eine lebenslange ruhige Kugel - und dann mußte ich hautnah miterleben, wie Menschen zu Untoten werden, wenn sie Beamte werden. Ich konnte mich noch nicht einmal zu einer Vorbereitung aufs 2. Examen aufraffen, die diesen Namen verdienen würde. Ich kam nur noch sehr knapp durchs Schriftliche, konnte mich aber im Mündlichen doch noch retten.
Ich nutzte die Chance, in Ostdeutschland als Anwalt selbstständig zu werden. Ich träumte von großen Autos, großem Geld und Sekretärinnen mit großen Titten, und hoffte, mir und meinem ziemlich verkorkstem Leben mit diesem nervenaufreibenden Beruf selbst davonlaufen zu können. Ich befürchte jedoch, daß mir das nicht gelungen ist.
In den ersten Anwaltsjahren habe ich nicht mehr gelesen. Nach 10, 12 Stunden am Schreibtisch hat man keinen Bock mehr auf Buchstaben. Der abendliche Soft-Porno auf Pro7 war mir lieber. Aber irgendwann fing ich wieder an. Insbesondere seitdem ich ZVAB entdeckte, habe ich auch begonnen, ziemlich viele Bücher zu kaufen. Ich sammele Bücher, kaufe über meine aktuelle Lesekapazität hinaus. Ich nenne das: an meiner Altersversorgung arbeiten. Irgendwann werde ich schließlich wieder nicht mehr genug Geld haben für Bücher.
Meine literatürliche Vorliebe gilt etwas sehr Rarem, nämlich gut geschriebener wissenschaftlicher Literatur, vornehmlich kulturwissenschaftlichen und historischen Inhalts. So betören mich die Biographien von Golo Mann, Stefan Zweig und Alan Palmer. Mein absoluter Favorit ist Carl Schmitt, der Fürchterliche.
Mein Lieblings-Prosaiker heißt auch Schmitt. Arno Schmidt - mit protestantischem d-t am Ende. Das Frühwerk habe ich fast komplett gelesen, Zettels Traum wartet auf den Tag, da ich mich zur Ruhe setzen kann, und ein Exemplar von Arno Schmidt´s Wundertüte habe ich am Stand der Arno-Schmidt-Stiftung auf der Leipziger Buchmesse geschenkt bekommen, womit ich mich genügend als gebildetem Menschen ausgewiesen zu haben mir einzubilden mir erlauben zu können glaube.
Ich habe mich hier angemeldet auf einen link - pardon: einen Verweis - bei Wikipedia zum Artikel über Robert Musil. Den "Mann ohne Eigenschaften" besitze ich auch, und alle 6-12 Monate versandet mein Leseversuch an der Fülle von Denk- und Träummaterial, daß sich auf jeder Seite findet. Eine bessere Entschuldigung habe ich leider nicht. Als Forenname habe ich meinen alten Spitznamen "Kroni" gewählt. Er hängt mir seid meiner Schulzeit an, und selbst heute noch nennt mich Freund und Feind so.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !
Ich verbleibe
Ihr sehr ergebener
Peter Kronenberger