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Literaturforum: Grigori Pasko - Die Rote Zone


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 Thema: Grigori Pasko - Die Rote Zone
LX.C
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Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 21.04.2007 um 22:57 Uhr

Die verbrecherischen Gewaltakte gegen Anna Politkowskaja und Alexander W. Litwinenko sind die im Westen bekanntesten Beispiele von Willkür mutmaßlich russischer Apparate gegen kritische Stimmen. Dass diese Taten Inszenierungen regierungsfeindlicher Kräfte sein könnten, wird nicht glaubhafter durch die Tatsache, dass Russland auf einem der letzten Plätze der Pressefreiheits-Rangliste rangiert und Journalisten regelmäßig die Zange russischer Institutionen zu spüren bekommen. So auch Grigori Pasko (*1962), der in seinem Gefängnistagebuch „Die Rote Zone“ die Jahre 1997 bis 2003 beschreibt, in denen er selbst ein Opfer der Machenschaften des russischen Geheimdienstes wurde.

Bei Rückkehr von einer Dienstreise nach Japan wird Pasko 1997 vom Inlandsgeheimdienst FSB auf dem Flughafen festgenommen und ins Untersuchungsgefängnis Wladiwostok überstellt. Der Vorwurf: „Versuchte Verbringung geheimer militärischer Dokumente ins Ausland.“ Ab hier beginnt für den studierten Journalist (an der Militärpolitischen Hochschule Lwow), der sich Themen wie der Ausmusterung sowjetischer Atom-U-Boote, der Desorganisation in den russischen Streitkräften, dem Thema Tschetschenien-Krieg sowie illegaler Entsorgung von Atommüll kritisch widmete, eine Zeit der völligen Hilflosigkeit, welche die größte Folter für den zuvor stets aktiven Zeitgenossen Pasko darstellt und nur ein Ziel haben kann: seinen Stolz und seinen Kampfwillen zu brechen, bis ihm demütig seine journalistische Stimme versagt. Endlose immer wieder dem gleichen Schema folgende Verhöre schließen sich an, psychischer Terror durch ständige Verlegungen in andere Zellen, in denen Menschen wie Vieh zusammengepfercht sind, so genannte Schlachtschiffe, in denen zwanzig bis dreißig Gefangene auf so engem Raum gehalten werden, dass sie sogar in mehreren Tagesschichten schlafen müssen, im Wechsel mit unmenschlich langer Einzelhaft. Hunger, unauskurierte Krankheiten, größte hygienische Defizite sind neben psychischer und physischer Gewalt durch Wärter und Mithäftlinge weitere Kriterien, die den freiheitsliebenden Pasko bis an die Grenzen seiner Existenz bringen. Auch seine Anwälte können ihm nicht helfen, sie sind dem langsamen und willkürlichen Apparat ebenso ausgeliefert. Wären nicht zwei elementare Dinge geblieben, Pasko hätte längst aufgegeben: die Liebe zu seiner Ehefrau Galina und das Schreiben.

Kommen wir zu eben diesem und beleuchten es näher. Das Werk gliedert sich in drei Teile. In den ersten beiden beschreibt Pasko in chronologischer Abfolge, zunehmend undatiert, mit gelegentlichen Rückblicken ins frühere Leben, den Alltag im Untersuchungsgefängnis Wladiwostok, bis zur ersten Verurteilung im Jahre 1999. Die Sprache ist einfach, ohne größeren literarischen Anspruch. Bis auf wenige tiefer gehende gesellschaftskritische Reflektionen, ist der Leser der Eintönigkeit dieses Gefängnisalltages ebenso ausgeliefert wie der Inhaftierte selbst. Das mag daran liegen, dass seine Aktivitäten strengstens überwacht wurden und er sich aus diesem Grunde, um sich nicht weiteren Gefahren auszusetzen, zur Zeit der Untersuchungshaft nur sehr eingeschränkt äußern konnte. Doch tröstet das nicht darüber hinweg, dass man hier hätte straffen oder nachträglich das Werk mit Fakten bereichern können. So äußert er sich auch kaum zum laufenden Verfahren, was die Beschreibung noch oberflächlicher erscheinen lässt. Der dritte und wesentlich kürzere Teil ist ein Rückblick auf eine zweite Inhaftierung, Verurteilung und Verlegung in ein modernes Gulag (Arbeitslager), genannt „Die Rote Zone“, bis 2003, in dem es wesentlich strenger zuging und Pasko keine Möglichkeit mehr hatte, vor Ort Aufzeichnungen zu machen.

Mag man am Ende dem Gefühl nicht ausweichen können, dass das Buch den großen Erwartungen bezüglich dieses brisanten und hochaktuellen Themas, schon aufgrund der emotionalen Tagebuchform, nicht gerecht werden konnte. Alle Schwächen täuschen dennoch nicht darüber hinweg, hier hatte ein Mensch, allen Warnungen seiner Kollegen zum Trotz, für journalistisches Engagement und Zivilcourage, an den Methoden eines (im europäischen Sinne) undemokratischen Regimes zu leiden. Jahre seines Lebens hat man ihm geraubt und doch hat er sich nicht brechen lassen. Viele Paskos werden folgen, wie jüngst der ehemalige Schach-Weltmeister und Oppositionelle Kasparow. Ob sie etwas ausrichten können ist fraglich, doch gäbe es diese Menschen nicht, würde das kritische Russland von der Weltöffentlichkeit unbeachtet untergehen.


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