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Autor
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Thema: Wladimir Majakowskij
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Kenon
Mitglied
1482 Forenbeiträge seit dem 02.07.2001
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Eröffnungsbeitrag |
Abgeschickt am: 21.04.2005 um 12:07 Uhr |
Wladimir Majakowski, geboren am 19.7.1893 im georgischen Bagdady, ging den Weg der Provokation zum Kommunismus hin zur Resignation. Er war der bedeutendste Vertreter des russischen Futurismus.
In dem frühen Gedicht Einige Worte über mich selbst (1913) "bekannte" er:
Zitat:
Ich liebe es, zu sehn wie Kinder sterben
In "ICH" schrieb er:
Zitat:
Auf der Chaussee
meiner zertretenen Seelenstätte
verschnörkeln Schritte Geistesgestörter
die Fersen starrer Verse.
In DA HABT IHR! gab er es seinem Publikum und löste seinerzeit einen Skandal aus:
Zitat:
Auf Schmetterlingsflügel stampft ihr mit Galoschen
und tretet poetische Funken aus,
vertiertes Gezücht, bis die Farben erloschen
unterm Schreiten der tausenköpfigen Laus.
1918 schrieb er bereits für den Kommunismus – das Gedicht der russischen Revolution (Lewui Marsch, Linker Marsch):
Zitat:
Adleraug sollte verfehlen?!
Altes sollte uns blenden ?!
Kräftig der Welt an die Kehle,
proletarische Hände!
Wie ihr kühn ins Gefecht saust!
Himmel, sei flaggenbeschwingt!
He, wer schreitet dort rechts aus?
Links! Links! Links!
"Ich warf mich in den Kommunismus aus den Himmeln der Dichtung" hiess eine seiner Gedichtsammlungen...
Doch jeder Glaube ist Trug, muss in kritisch denkenden Menschen eines Tages zerbrechen.
In "Idyll" (1929) schrieb Majakowski, desillusioniert vom sich einstellenden Spießertum:
Zitat:Die Revolution ist am Ende.
Nun ans Leben.
Plätschere,
Bächlein.
Flugs
ging der sowjetische Spießbauch
zur Ruhe
und richtete sich ein.
Weiße
Tapeten,
jetzt braun -
fliegenbedeckt
und voller Staub;
Am 14.4.1930 beging Majakowski Selbstmord, indem er sich mit einer Pistole ins Herz schoss. Er hinterließ der Welt die Abschiedszeilen:
"Wie man so sagt, der Fall ist erledigt; das Boot meiner Liebe am Alltag zerschlug. Bin quitt mit dem Leben. Gebt niemanden die Schuld, dass ich sterbe, und bitte kein Gerede. Der Verstorbene hat das ganz und gar nicht gemocht."
Alle hier verwendeten Gedichtzitate entstammen dem Buch
Wladimir Majakowski - Gedichte (russisch/deutsch), Reclam Leipzig, 1988
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Jasmin
Mitglied
406 Forenbeiträge seit dem 21.11.2004
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1. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 21.04.2005 um 12:40 Uhr |
Zitat: In dem frühen Gedicht Einige Worte über mich selbst (1913) "bekannte" er:
Zitat:
Ich liebe es, zu sehn wie Kinder sterben
Ich finde es sehr gewagt, dass Du dieses Zitat bringst.
Der Selbstmord Majakowskis soll umstritten sein.
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Kenon
Mitglied
1482 Forenbeiträge seit dem 02.07.2001
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2. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 21.04.2005 um 12:56 Uhr |
Zitat:
Ich finde es sehr gewagt, dass Du dieses Zitat bringst.
Wir können ja gern über literarische Tabubrüche, Provokationen, Skandale reden. Majakowski, Nabokov, Bernhard – man wird genug Gesprächsmaterial finden.
Zitat:
Der Selbstmord Majakowskis soll umstritten sein.
Ja, davon habe ich gehört. Aber was hätte man von Spekulationen, wenn man nicht Zugriff auf die Quellen hat, die tatsächlich Aufschluss geben könnten?
Der Selbstmord Majakowskis erscheint mir plausibel, besonders auch, wenn man von seiner unglücklichen Liebe und politischen Enttäuschung weiß. Kommunismus war seine Religion. Mit dem Glauben an ihn hat er alles andere kompensiert. Becher war da ganz ähnlich.
Dichter haben meist ein gutes Gefühl dafür, zu wissen, wann es Zeit ist, zu gehen.
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Jasmin
Mitglied
406 Forenbeiträge seit dem 21.11.2004
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3. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 21.04.2005 um 13:03 Uhr |
Zitat:
Wir können ja gern über literarische Tabubrüche, Provokationen, Skandale reden. Majakowski, Nabokov, Bernhard – man wird genug Gesprächsmaterial finden.
Ja, klar. Das ist sicher ein interessantes Thema. Interessant ist dabei heraus zu finden, warum jemand provozieren und Tabus brechen will. Macht er das aus rein persönlichen Gründen, um auf sich aufmerksam zu machen oder möchte er gesellschaftliche Strukturen ins Wanken bringen, Denkprozesse in Gang setzen?
Das Zitat von Majakowski – es hat mir einen Stich ins Herz versetzt, als ich das las – was soll es bezwecken? Was steht im Rest des Gedichtes? Vielleicht wirkt es aus dem Zusammenhang gerissen besonders intensiv.
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Kenon
Mitglied
1482 Forenbeiträge seit dem 02.07.2001
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4. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 21.04.2005 um 13:10 Uhr |
Zitat:
Was steht im Rest des Gedichtes? Vielleicht wirkt es aus dem Zusammenhang gerissen besonders intensiv.
Das Gedicht steht in einer Reihe mit vier anderen, die z.B. Einige Worte über meine Frau, Einige Worte über meine Mama betitelt sind.
Ich reisse weitere Sätze aus dem Zusammenhang, denn etwas anderes könnte ich hier ohnehin nicht tun:
Habt ihr die düstre Woge der Brandung des Lachens
bemerkt
hinterm Rüssel der Sehnsucht?
[...]
Den Dolch rasender Worte ich ramm
in des Himmels gedunsenes Weichfleisch:
"Sonne!
Mein Vater!
Wenigstens du mich nicht quäle!
[...]
Einsam bin ich wie das letzte Auge
eines Menschen, der geht zu den Blinden!
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Kenon
Mitglied
1482 Forenbeiträge seit dem 02.07.2001
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5. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 07.09.2005 um 01:02 Uhr |
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Kenon
Mitglied
1482 Forenbeiträge seit dem 02.07.2001
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6. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 12.11.2005 um 20:35 Uhr |
Ein Fragment aus dem Gedicht "Wolke in Hosen" (1915), übertragen von Dedicius:
Zitat:
Rühmt mich!
Ich trotz den Größen.
Ich sage zu allem, was sie geleistet haben,
"nihil".
Nichts
und nie will ich lesen.
Bücher?
Was Bücher!
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Kenon
Mitglied
1482 Forenbeiträge seit dem 02.07.2001
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7. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 13.12.2005 um 20:08 Uhr |
Das ist Majakowskij, aufgenommen von Rodschenko im Jahre 1924:
Mehr über den Fotografen Aleksandr Rodschenko (russ.)
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bodhi
Mitglied
741 Forenbeiträge seit dem 08.12.2004
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8. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 14.12.2005 um 08:53 Uhr |
Also nach dem Bild möchte man ihm aber auch nicht im Dunkeln begegnen...
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Kenon
Mitglied
1482 Forenbeiträge seit dem 02.07.2001
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9. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 14.12.2005 um 16:55 Uhr |
Zitat:
Also nach dem Bild möchte man ihm aber auch nicht im Dunkeln begegnen...
Ach, da besteht kein Grund zur Sorge, so einer tut nur sich selbst etwas an.
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