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Literaturforum: Konstantinos Kavafis


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Forum > Literaturgeschichte & -theorie > Konstantinos Kavafis
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 Thema: Konstantinos Kavafis
Jasmin
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Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 04.03.2005 um 23:46 Uhr

Konstantinos Kavafis, einer der berühmtesten Wegbereiter der modernen Lyrik Griechenlands, wurde am 29. April 1863 in Alexandria im Zeichen des Stiers geboren und starb genau 70 Jahre später, an seinem Geburtstag, an den Folgen einer Kehlkopfkrebserkrankung. Die Stellung Kavafis’ in der neugriechischen Literaturgeschichte ist auffallend; stets stand er abseits der literarischen Bewegungen der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts, etwa der von Kostis Palamas geführten ‘Neuen Schule von Athen’.

In Alexandria arbeitete Kavafis 30 Jahre lang als Angestellter im Ministerium für Wasserwirtschaft. Er führte ein nach außen hin unauffälliges, gleichförmiges Leben. Tagsüber widmete er sich seiner Arbeit, anschließend besuchte er das Kafenion (Kaffeehaus für Männer), wo er Kaffee und Cognac trank und Zeitung las. Die Nächte verbrachte er meistens allein in seiner Wohnung, in seinen Erinnerungen schwermütig schwelgend und Verse schreibend.

Die Angestellten des Ministeriums für Wasserwirtschaft berichteten, Kavafis habe sich von Zeit zu Zeit in seinem Büro eingeschlossen und habe dort mit erhobenen Händen und geschlossenen Augen gesessen, den Kopf im Nacken und habe Gedichte geistig empfangen und in der Folge niedergeschrieben. Allerdings war Kavafis kein abgehobener [Zensiert] gewesen, sondern jemand, der sich vor allem als Handwerker, Historiker und Realist verstand. Sein pragmatischer Realitätssinn veranlasste ihn wohl auch dazu, seine Gedichte sehr streng zu beurteilen. So hat er bis zu seinem Tode lediglich 154 Gedichte veröffentlicht und zwar vor allem in Form von feuilles volantes, Flugblättern, die er an Freunde weiter gab…In seiner Selbstzensur war er gnadenlos. Pro Jahr ließ er für lange Zeit nur maximal 5 Gedichte gelten, die seinen sehr hohen Ansprüchen genügten. Das Angebot seines englischen Freundes E.M. Forster, einen Lyrikband mit eigenen Gedichten herauszubringen, lehnte er ab.

Kavafis war ein notorischer Einzelgänger, der sich kaum um den damaligen Literaturbetrieb kümmerte, ja, er mied die literarische Szene sogar und zeigte wenig Interesse an einer Veröffentlichung seines Werkes. Dennoch war er sich seiner Stellung unter den neugriechischen Dichtern damals bewusst und sein Ansehen wuchs mit der Zeit weit über die Grenzen des griechischen Sprachraums hinaus.

Die wesentlichen Motive seiner Lyrik hat Kavafis selbst als philosophische, historische und erotische definiert, drei Komponenten, die nicht getrennt voneinander betrachtet werden dürfen. Die Sprache Kavafis’ ist recht eigenwillig und originell. Er bedient sich der griechischen Volkssprache Demotiki und vermischt diese mit Elementen der gehobenen Sprache Katharevousa, oft gemischt mit Archaismen und alexandrinischen Elementen, wobei er immer darum bemüht ist, schlicht und verständlich zu schreiben. So soll er sich manchmal bei den Arbeitern Alexandrias erkundigt haben, ob gewisse Redewendungen verständlich sind, bevor er sie benutzte.

Konstantinos Kavafis war homophil. Das wäre nicht weiter erwähnenswert, wenn er nicht so sehr darunter gelitten hätte und diese Eigenart und ihre Folgen in sein Werk eingeflossen wären. Er liebte schöne Knaben und suchte zuweilen deren Nähe in schummrigen Zimmern, die über zweifelhaften, ungepflegten Tavernen lagen und in dunkle Gassen blickten. Dort erlebte er seltene Momente einzigartiger Wollust, von denen er noch viele Jahre zehrte und in seinen Gedichten erzählte und zwar auf eine Art und Weise, die weder peinlich, noch abstoßend, sondern zutiefst verständlich und anrührend ist, wie das folgende Gedicht abschließend zeigen soll:

Eine Nacht

Die Kammer war armselig vulgär,
versteckt, über einer suspekten Taverne.
Vom Fenster sah man die Gasse,
die schmutzige, enge. Von unten
drangen die Stimmen von Arbeitern,
die Karten spielten und lachten, zu uns.
Und dort im einfachen, gemeinen Bett,
hatte ich den Körper des Eros, hatte ich die Lippen,
die sinnlichen und rosenroten Lippen des Rausches -
die rosenroten Lippen eines solchen Rausches, dass ich noch jetzt,
da ich dies schreibe, nach so vielen Jahren!
Hier in meinem einsamen Haus, mich wieder berausche.

Konstantinos Kavafis

Aus dem Griechischen: Jasmin Carow, Athen, Freitag, 4. März 2005

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Kenon
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1. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 07.03.2005 um 15:25 Uhr

Zitat:

So hat er bis zu seinem Tode lediglich 154 Gedichte veröffentlicht und zwar vor allem in Form von feuilles volantes, Flugblättern, die er an Freunde weiter gab…In seiner Selbstzensur war er gnadenlos. Pro Jahr ließ er für lange Zeit nur maximal 5 Gedichte gelten, die seinen sehr hohen Ansprüchen genügten.

Dies hier ist das eine Extrem, ein anderes ist, so wie J.R.Becher, (nahezu) alles gelten zu lassen, weil man selbst als Gesamtkunstwerk verstanden werden will. Wofür er sich nun entscheidet, ist Sache des Dichters und nicht immer muss ein Vielschreiber zwangsläufig viel Abfall produzieren.

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Jasmin
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2. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 07.03.2005 um 22:23 Uhr

Wenn ein Schriftsteller wirklich zu allem stehen kann, was er jemals geschrieben hat, dann ist das sehr erfreulich. In der Regel aber schreibt sich ein Schreibender oftmals lediglich Dinge von der Seele, aus einem inneren Drang und Zwang heraus, ohne jegliche Rücksicht auf irgendeinen potentiellen Leser. Das muss nicht immer Persönliches und Privates sein, häufig ist es das aber doch und so kunstvoll es auch verarbeitet sein mag, so leicht ist es für den einen oder anderen scharfsichtigen Kritiker oder auch interessierten Laien aus der nahen und fernen Bekanntschaft, die chiffrierten Botschaften zu entschlüsseln. Das kann dann sehr peinliche Folgen haben für den Schreibenden, wenn dieser bis zu seinem Tode mit seinen Gedanken in gedruckter und veröffentlichter Form ständig konfrontiert werden muss.

Die Sammlung von 154 Gedichten, die Kavafis vor seinem Tod veröffentlichte, wurde von ihm privat gedruckt und an Freunde verteilt. Erst dreißig Jahre nach seinem Tode fand eine erste, definitive Edition dieser so genannten „Veröffentlichten Gedichte“ statt.

Zum literarischen Gesamtwerk dieses Dichters gehören aber mehr als diese 154 Gedichte, wie zum Beispiel die 77 „Unveröffentlichten Gedichte“, die Kavafis sorgfältig aufbewahrte, aber nicht veröffentlichte, denn hierbei handelte es sich um Verse aus seiner Jugendzeit und auch aus späteren Phasen, in denen er noch nicht zu seinem Stil und seiner endgültigen Reife gefunden hatte. Ferner gibt es noch eine Gruppe mit der Bezeichnung ‘Verworfene Gedichte’, die Gedichte enthält, die Kavafis eindeutig verwarf und der Öffentlichkeit vorenthielt als auch eine Gruppierung mit dem Namen „Unvollendete Gedichte.“

Man mag sich nun, sofern man selber schriftstellerische Ambitionen hat, für das eine oder andere Extrem entscheiden – oder am besten für die goldene Mitte. Fest steht, dass man posthum nicht mehr viel Einfluss auf seine Werke hat, denn, selbst wenn man, wie Kavafis, radikal streng mit sich selbst und äußerst publikumsscheu ist, so schützt das einen nicht vor einer möglichen Veröffentlichung des Gesamtwerkes nach dem eigenen Tode. Da mag man sich nachträglich im Grabe umdrehen wie man will. Man hat doch keinen Einfluss mehr auf seine späteren Herausgeber. So schreibt denn der Verleger und Übersetzer des Gesamtwerkes von Kavafis für den deutschsprachigen Raum:

“Auch wenn wir als Herausgeber dieses Bandes gewisse ethische Bedenken haben, die vom Dichter verworfenen bzw. unveröffentlicht gebliebenen Gedichte nach dessen Tod und vermutlich auch gegen dessen Willen (!) doch zu veröffentlichen, so sind wir aber gleichzeitig der Meinung, dass dieser durch die griechischen Ausgaben nicht länger im Schatten gebliebene Teil seines Werkes der deutschen Öffentlichkeit nach über sechzig Jahren seit dem Tod von Kavafis nicht vorenthalten werden darf.“

http://www.elsie.de/pub/b16.html

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Kenon
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3. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 22.08.2005 um 19:10 Uhr

Ich habe im Buchladen gerade "Das Gesamtwerk" von Kavafis (erschienen im Fischer Verlag) gesehen. Kennst Du diese Ausgabe?

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Jasmin
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4. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 22.08.2005 um 19:50 Uhr

Nein, diese Ausgabe kenne ich nicht. Ich muss gestehen, dass ich Konstantinos Kavafis´ Werke nur aus dem Weltnetz kenne.

Ferner muss ich gestehen, dass ich schon lange nicht mehr in einem richtigen Buchladen gewesen bin, was mich selber befremdet. Einerseits bewege ich mich hauptsächlich in virtuellen Buchläden, andererseits habe ich sehr viele ungelesene Bücher, die ich noch lesen möchte.

Und es kommen fast täglich neue Autoren hinzu. Heute habe ich eine Griechin entdeckt, in einem Magazin, die ich beizeiten noch vorstellen möchte, das heißt einige Zeilen über ihr Leben und Werk übersetzen.

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