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Literaturforum: Trägheit des Herzens


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Forum > Politik & Gesellschaft > Trägheit des Herzens
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 Thema: Trägheit des Herzens
LX.C
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Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 24.08.2007 um 21:48 Uhr

[Quote]Ich fasse das Leid nicht, das der Mensch dem Mensch zufügt. Sind die Menschen von Natur so grausam? Sind sie nicht fähig, sich hineinzufühlen in die Vielfalt der Qualen, die stündlich, täglich Menschen erdulden?
Ich glaube nicht an die "böse" Natur des Menschen, ich glaube, dass er das Schrecklichste tut aus Mangel an Phantasie, aus Trägheit des Herzens.
Habe ich nicht selbst, wenn ich von Hungersnöten in China, von Massakern in Armenien, von gefolterten Gefangenen auf dem Balkan las, die Zeitung aus den Händen gelegt und, ohne innezuhalten, mein gewohntes Tagwerk fortgesetzt? Zehntausend Verhungerte, tausend Erschossene, was bedeuten mir diese Zahlen, ich las sie und hatte sie eine Stunde später vergessen. Aus Mangel an Phantasie. Wie oft habe ich Hilfesuchenden nicht geholfen. Aus der Trägheit meines Herzens.
Würden Täter und Tatlose sinnlich begreifen, was sie tun und was sie unterlassen, der Mensch wäre nicht des Menschen ärgster Feind.
Die wichtigste Aufgabe künftiger Schulen ist, die menschliche Phantasie des Kindes, sein Einfühlungsvermögen zu entwickeln, die Trägheit seines Herzens zu bekämpfen und zu überwinden.

Quelle: Toller, Ernst: Eine Jugend in Deutschland, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 1963, S. 153.
[/Quote]


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baerchen
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1. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 25.08.2007 um 01:32 Uhr

Diese Nachricht wurde von baerchen um 01:32:29 am 25.08.2007 editiert

Zitat:

Sind die Menschen von Natur so grausam?
Aha. Affenkriege waren 1963 noch nicht bekannt.
Ansonsten: alles wie immer.


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LX.C
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2. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 26.08.2007 um 00:13 Uhr

Nun ja, du spöttelst wie so oft auch darüber. Doch ist es nicht bedenklich, dass trotz aller gesellschaftlichen Veränderungen, diesbezüglich seit Toller (Anfang des 20. Jahrhunderts) kein Umdenken stattgefunden hat? Im Gegenteil, moderne Massenmedien und materieller Egoismus einer Überflussgesellschaft - wie paradox - machen das Herz träger denn je. Mitgefühl und Solidarität und vor allem der Wille aktiv etwas zu verändern sterben an Herzverfettung.


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baerchen
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3. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 26.08.2007 um 02:14 Uhr

Diese Nachricht wurde von baerchen um 02:16:08 am 26.08.2007 editiert

Wenn Du mich sehen könntest: was spöttisch anmutet ist wiederum verzweifelnde Resignation.
(Habe ich jemals gespöttelt? Ehrlich? Ist vielleich nur meine Art, Dir beizupflichten oder das Leid zu ertragen.)

zum letzten Beitrag:
Ob es wirklich Egoismus ist - ich weiß es nicht. Je weiter das Leid entfernt ist und je größer es ist, desto weniger berührt es.
Ich denke, in vereinzeltes Leid kann man sich noch hineindenken. Und zumindest helfen wollen. Das Tun steht ohnehin auf einem anderen Blatt.
Ich habe den Eindruck, Toller vermischt zwei Sachverhalte.
1) Menschen sind grausam untereinander.
2) Nicht-grausame Menschen sollen andere an deren gegenseitigen Grausamkeiten hindern.

Dass 2 zu einem Schlachtfest für die Friedliebenden wird, liegt in der Natur der Sache.
Reicht es aber (zu 1) aus, nicht zu helfen, um als grausam zu gelten?

Andersherum: Warum warte ich als ´Staat´ tagelang, bis dass ich Löschflugzeuge anfordere? Wann brennt es genug, um Hilfe anzunehmen?
Wie viel schlimmer muss die Lage bei ´verfeindeten Parteien´ sein.


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DataBoo
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4. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 26.08.2007 um 22:43 Uhr

Die Summe des Volkes ist dumm und frißt viel, ficken kann jeder, Resultate begegnen uns täglich, dabei ist es egal ob sie vom Kapital tättowiert sind oder nicht, ihre Augen sind leer, Herzen schlagen träge im Getöse des Großstadtdarms. Was willst Du? Moral?
Wo kann ich so etwas kaufen? Geht das per online banking? Was willst Du? Moralgeber? Mir ist das alles unbekannt und alles viel zu stressig, ich flieg in den Urlaub und schieß ein paar Fotos vom Elend. Daheim veranstalte ich dann nach meiner Rückkehr einen Diaabend mit Sekt und gute Laune. Besonders die Bilder aus den Armenvierteln werden gut punkten, ich weiß das jetzt schon!

Nächstes Jahr brauchen wir in neues Auto, wir haben kein Geld für Spenden, wir haben auch selbst nicht viel!
Ob ich glücklich bin? Naja, gehts so, also wenn da nicht 1....., 2....., 3.....wären, ach ja, bevor ich´s vergesse, also 4.... und wie erzieht man eigentlich Kinder?

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baerchen
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5. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 28.08.2007 um 01:08 Uhr

Lieber DataBoo:
In Moralfragen erziehen eher Kinder ihre Eltern. ;-)
Allgemein ist Erziehung so etwas wie das Klonen des Geistes. (Eine Art Datateilung.)
Wenn Du versuchst, auch Deine Moral zu teilen, dann denke immer daran, wie Du von ihnen behandelt (vielleicht gepflegt) werden willst. Dann teilst Du bestimmt die richtigen Vorstellungen mit.
Wenn Du zuletzt nur noch froh bist, wenn sich überhaupt jemand findet, der das Getriebeöl aufwischt, dann könnte es sein, dass Deine Moral schon am Anfang am Ende war...

Grüße, b. :-)


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DataBoo
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6. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 28.08.2007 um 13:06 Uhr

Hallo B.,

oh, ich wollte keine Antworten, mein Beitrag war in keinster Weise persönlich...war nur ein typisches DataBoo-Blitzlicht zur Lage der ...ähm...Nation? Ja, lass ich stehen! :))

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baerchen
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7. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 28.08.2007 um 17:03 Uhr

@LX.C:
Vielleicht hat ja auch ein Umdenken zwischenzeitlich stattgefunden, ist dann aber wieder revidiert worden, so dass heut wieder alles beim Alten ist.
Aus Kriegen lernt der Mensch seiner Generation und sagt sich: ´Ja, nie wieder Krieg!´
Und erwartet dann, dass die nächste Generation genauso denkt.
Letztlich verebben unerwartet die guten Vorsätze von Generation zu Generation.
Die Großeltern sterben oder der Kontakt zum Heim ist nicht der Beste.
Moral lebt auch in den überlieferten (Familien-) Geschichten.

@DataBoo:
Ob Dein Blitzlicht auch zu Tollers Zeiten verstanden worden wäre? Es hat sich also doch irgendetwas verändert, aber was nur?

b.


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LX.C
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8. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 28.08.2007 um 18:29 Uhr

Ja, da möchte ich dir beipflichten. Wir leben gerade in einer aus meiner Sicht nicht unbedenklichen Übergangszeit. Zeitzeugen sterben aus. Eine neue Art und Weise medial folglich gesellschaftlich mit dem Thema Nationalsozialismus umzugehen hat zur gleichen Zeit begonnen. Jugendliche hört man unbedacht scherzen oder sieht sie Augen rollen, bei dem aus ihrer Sicht in der Schule zu breit durchgekauten Zeitabschnitt. Antworten mit Unverständnis oder Verharmlosung, wenn man sensibilisiert auf das Thema reagiert. Legitimation der vorherrschenden institutionellen Ordnung muss nun über andere Wege begründet werden, als der persönlich übermittelten historischen Erfahrung. Wenn jetzt die Weichen nicht richtig gestellt werden, dann kann sich gesellschaftlich schnell so etwas wie Verharmlosung der Geschichte entwickeln und somit über kurz oder lang auch eine gefährliche Unsensibilität.


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LX.C
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9. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 28.08.2007 um 18:35 Uhr

Was das Weltgeschehen allgemein angeht, so denke ich hat jedoch zwischenzeitlich kein Umdenken stattgefunden. In der DDR - ja, ja, nu fängt er auch noch damit an – hat man uns sozusagen "gezwungen", zu Weltgeschehnissen Stellung zu beziehen. Das mag nicht jedem entsprochen haben, hat den einen oder anderen vermutlich dennoch erreicht und sensibilisiert, der sich sonst mit solch Themen nicht auseinandergesetzt hätte. Das nur mal als schnelles Beispiel, wie man zumindest einmal versucht hat, solch ein Umdenken zu erreichen.


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