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Archiv klassischer Werke


 
Der Hase und die Schildkröte
Jean de la Fontaine
Rennen hilft nichts, `s kommt auf rechtzeit’gen Ablauf an;
Die Einsicht lassen uns Schildkröt und Has gewinnen.
„Wetten wir“ – sagte sie – „du kommst so schnell nicht an
Beim Ziel wie ich!“ – „So schnell wie du? Bist du bei Sinnen?“
Erwiderte das leichte Tier –
„Gevatterin, du hast, scheint mir,
Wohl ein’ge Quäntchen Nieswurz nötig!“ –
„Zur Wette bin ich doch erbötig.“ –
Gesagt, getan: es wurde jetzt
Beim Ziel der Wettpreis eingesetzt;
Wie viel? Daran ist nichts gelegen,
Noch wen zum Richter man erwählt.
Der Hase hatte nur vier Schritt zurückzulegen; 
Doch macht er deren mehr, weil er, von Furcht beseelt
Vor Hunden, diesen erst ein Schippchen denkt zu schlagen:
Er lässt sie durch die Heide jagen.
Noch hat er übrig Zeit, zu grasen ringsumher,
Zu schlafen und zu sehen, woher
Der Winde weht. Die Schildkröte lässt er
Ruhig gehen ihren Ratsherrengang;
Sie tut’s, sie eilt mit Weil und bester
Kraftanstrengung den Weg entlang.
Dem Meister Lamp indes scheint solch ein Sieg verächtlich,
Es scheint die Wett ihm unbeträchtlich 
Und Ehrensache möglichst lang 
Zu zögern; und so grast er, legt sich nieder
Und denkt an alles eher wieder
Als an die Wette. Endlich, wie er sieht,
Dass jene fast am Ziel, hat er `nen Satz genommen,
Pfeilschnell schießt er; doch hat er sich umsonst bemüht,
Denn die Schildkröte war als erste angekommen.
„Nun, hatt ich recht?“ – ruft sie jetzt triumphierend aus –
„Was hilft dir’s, dass du so behände?
Ich, Sieger! Und wie wär’s am Ende,
Trügst du, gleich mir, noch gar ein Haus?“



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