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Archiv klassischer Werke


 
Kallisto
Ovid
Jupiter, als er die Erd' umwanderte, müde des Äthers,
Sah in Arkadias Fluten der nonakrinischen Jungfrau'n
Holdeste; und es entbrannte sein Herz von feuriger Sehnsucht.
Nicht war jener Geschäft, die gekrempelte Wolle zu feinern,
Noch durch Tracht zu verändern das Haar. Wann die Spange das Kleid ihr,
Und ein schneeiges Band nachlässige Locken gefesselt,
Nahm sie bald den schnellenden Spieß, bald Bogen und Köcher,
Als Trabantin der Phöbe: so wert war keine der Göttin
Je auf des Mänalus Höhn. Doch alles Glück ist vergänglich!

Über den Mittagsraum war schon das Sonnengespann hin,
Als sie die Waldung betrat, wo niemals Äxte gehauen.
Und sie entspannte den Bogen und hub von der Achsel den Köcher,
Legte sich dann auf den Boden, mit weichem Grase gepolstert;
Und den gemaleten Köcher bedeckt ihr ruhender Nacken.
Jupiter, da er so müde sie sah, und ohne Bewachung:
Diesmal, sprach er, entdeckt doch den Gang nicht meine Gemahlin;
Oder erspäht sie ihn auch, oh, so gilt ihr Keifen mir so viel!

Plötzlich umhüllet den Gott die Gestalt und der Schmuck der Diana:
Jungfrau, redet er an, du Begleiterin meines Gefolges,
Welcherlei Höh'n durchjagtest du heut? Da erhebt sich die Jungfrau
Schnell vom Rasen, und sagt: Heil, Herrscherin, höher geschätzt mir,
Wenn er auch selber es hört, als Jupiter! Lächelnd vernimmt er's,
Froh, daß er selbst vorgehe sich selbst; und er füget ihr Küsse,
Nicht in gehörigem Maße, noch so zu geben von Jungfrauen.
Arglos will sie erzählen, in welchem Gehölz sie gejaget;
Aber es hemmt sie Gewalt: und siegreich kehrt zu dem Äther
Jupiter. Ihr ist verhaßt das Gebüsch, und die kundige Waldung.
Als sie den Fuß wegwandte, vergaß sie beinah zu erheben
Köcher und Pfeil', und zu nehmen den aufgehangenen Bogen.

Siehe, da kommt Diktynna, vom hüpfenden Chore begleitet
Über den Mänalus her, und stolz des erlegeten Wildes,
Schauet sie jen', und ruft; doch es stutzt die gerufne Kallisto;
Und sie befürchtet zuerst, daß Jupiter sei in der Göttin.
Aber nachdem sie zugleich die wandelnden Nymphen gesehen,
Traut sie, entfernt sei Betrug, und die Zahl der übrigen mehrt sie.
Ach, wie schwer, ein Gebrechen im Antlitz nicht zu verraten!
Kaum nun hebt sie die Augen empor; nicht, wie sie gewohnt war,
Geht sie der Göttin zur Seit', und immer voran in dem Schwarme.
Nein, sie verstummt, und deutet beleidigte Zucht mit Errötung.
Wenn sie nicht Jungfrau war, an mancherlei Zeichen bemerkte
Leicht Diana die Schuld; man sagt, es bemerkten die Nymphlein.

Aber sogleich vernahm es des Donnerers hohe Gemahlin;
Nur auf gelegene Zeit verschob sie die schreckliche Ahndung.
Nun ist geschwunden die Frist; denn schon ward Arkas (auch dieses
Kränkt der Juno das Herz) von der Nebengattin geboren.
Als sie auf jenen den Blick voll grausamen Mutes gewendet.

Ha! dies fehlete nur, du Ehebrecherin, rief sie,
Daß du auch fruchtbar wärst, daß öffentlich würde die Kränkung
Durch die Geburt, und meines Gemahls Unehre bescheinigt!
Nicht ungestraft sei solches! Ich nehme dir jene Gestalt ab,
Welche dir selber behagt und, Trotzerin! unserem Gatten!

Juno sprach's, und ergriff an der Stirn ihr die Locken, und warf sie
Vorwärts hin auf die Erde. Sie hob demütig die Arme.
Doch es begannen die Arme von dunkelen Zotten zu starren;
Krumm auch wurden die Händ', und wuchsen in klauige Tatzen,
Und sie versahn der Füße Geschäft; und das reizende Antlitz,
Selbst für Jupiter, ward vom entsetzlichen Maule geschändet.
Und daß ihr grausames Herz nicht bittende Worte bewegen,
Nimmt sie ihr reden zu können: ein Ton voll Zornes und Unmuts,
Rauher Drohungen voll, erschallt aus der brummenden Kehle.
Ihren Schmerz anzeigend mit unaufhörlichem Jammern,
Hebt sie, was Händ' ihr sind, zum Himmel empor und Gestirne;
Undankbar nicht kann sie den Jupiter nennen, sie denkt ihn.
Ach, wie oft nicht wagend im einsamen Wald zu ruhen,
Naht sie dem Haus, und irrt in den vormals eigenen Äckern!
Ach, wie oft durch Felsen verfolgen sie bellende Hunde!
Sie, einst Jägerin, flieht vor den Jagenden jetzo erschrocken.
Oft vor gesehenem Wilde versteckt sie sich, ihrer vergessend;
Und die Bärin erstarrt, wenn ein Bär im Gebirge sich zeiget.
Bang' auch meidet sie Wölf', obgleich ihr Vater ein Wolf ist.

Siehe, der Sohn, unkundig der lykaonischen Mutter,
Arkas erscheint, da beinah er fünfzehn Jahre vollendet.
Während das Wild er verfolgt, und ein Tal auswählet zum Anstand,
Und mit geknotetem Garn erymantische Wälder umzingelt,
Wird er der Mutter gewahr. Und sobald sie schauet den Arkas,
Stehet sie still, und gleicht der erkennenden. Jener entfliehet;
Und weil ihn unbeweglich mit starrenden Augen sie anblickt,
Fühlt unwissend er Angst; und da näher zu gehn sie begehret,
Wollt' er ihr eben die Brust mit verwundendem Pfeile durchbohren.
Doch der Allmächtige hemmt; und zugleich sie selbst und die Untat
Rückt er hinweg; und im Sturm durch luftige Leere sie schwingend,
Stellt er sie dort an den Himmel, als Nachbarsterne zu funkeln.
Juno schwoll, da im Kreise der himmlischen Sterne das Kebsweib
Leuchtete. Rasch zu dem Vater Ozeanus, und zu der grauen
Tethys fuhr sie ins Meer, die oft die Götter mit Ehrfurcht
Rühreten. Jetzo gefragt um des Wegs Ursache, begann sie:

Forscht ihr, warum ich herab vom ätherischen Sitze, der Götter
Königin, kam? Statt meiner beherrscht ein' andre den Himmel!
Lügnerin heiß' ich, wo nicht, wann die Nacht das Gewölbe verdunkelt,
Ihr am erhabenen Himmel die jüngst verherrlichten Sterne,
Meine Kränkung, erblickt, dort wo die äußerste Kreisung
Dicht am Rande des Pols im kürzesten Raume sich umdreht.
Was ist noch, warum man die Juno fürchte zu kränken,
Und der Beleidigten zittre; da ich nur fromme durch Schaden.
Traun, was ich alles vollbracht! wie grenzlos unsre Gewalt ist!
Menschheit legte sie ab; und Gottheit nahm sie! So furchtbar
Weiß ich Verbrecher zu strafen! so groß ist die Macht, die mir beiwohnt!
Stell' er denn her ihr altes Gesicht, und die Bildung des Raubtiers
Schaff' er hinweg, wie er einst an des Inachus Tochter getan hat!
Warum freit er sie nicht, und räumt, die Juno verstoßend,
Ihr mein Ehegemach, und nimmt zum Schwäher Lykaon?
Auf denn, wofern euch das Herz die verachtete Zöglingin rühret,
Wehrt dies blaue Gestrudel dem siebenfältigen Nordstern;
Und, die um Buhlerlohn, als Gestirn, an den Himmel erhöht sind,
Scheuchet sie: daß nicht bad' in der lauteren Woge das Kebsweib!

Jene gewährten den Wunsch; und empor im bequemen Geschirre
Lenkt durch heitere Luft Saturnia farbige Pfauen.



versalia.de empfiehlt folgendes Buch:
Ovid - Metamorphosen



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