Biographien Rezensionen Diskutieren im versalia-Forum Das versalia.de-Rundschreiben abonnieren Service für Netzmeister Lesen im Archiv klassischer Werke Ihre kostenlose Netzbibliothek

 


Archiv klassischer Werke


 
Soldatenlieder
Alfred Lichtenstein
                            1

Gut ist und schön, ein Jahr Soldat zu sein.
Man lebt so länger. Und man freut sich doch
Mit jedem Funken Zeit, den man dem Tod entreißt.
Dies arme Hirn, zerfetzt von Städtersehnsucht,
Blutig von Büchern, Leibern, Abenden,
Trostlos betrübt und aller Sünden voll,
Dreiviertel schon zerstört - kann nun
Beim Stillestehen und beim Aufmarschieren,
Beim Armerollen und beim Beineschwingen
In einer Ecke des Schädels sanft verrosten.

O, der Gestank in einer Marschkolonne.
O, Laufschritt über holdes Frühlingsland.

                             2

Ich muß eine Stunde vor den anderen kommen,
Weil ich schlecht geschossen habe.
Ich werde wohl nicht befördert werden.
Und nachexerzieren muß ich zur Strafe,
Weil ich, während die anderen vorschriftsmäßig
Starr auf die Mütze der Vorderen blickten,
Als wir vor der roten Sonne
Über die leuchtenden Felder marschierten,
Vorsichtig zu dem kleinen Flieger schielte,
Der über mir in dem großen, glühenden
Abendhimmel wie eine Biene summte.

                           3

Ich weiß, ich weiß: dies Leben ist gesund.
Zwar hört man meine Griffe kaum,
Doch hau ich mir die Hände wund.
Statt auf dem verfluchten Kasernenhof
Könnte ich jetzt in einer Wiese sein.

Vor versammelter Mannschaft fängt ein Mann
Bitterlich zu weinen an.

                         4

Ich habe manchmal Angst: ein Jahr ist lang,
Unendlich lang. Und ewig Beineschwingen ...
Den ganzen lieben Tag beim Körperkneten
Und beim Parademarsch, beim Platzpatronenschießen
Die Welt vergessen müssen ... daß man noch am Abend
Beim Bier ganz dumpf ist, noch beim Schlafengehn
Den schweren Helm auf seiner Stirne spürt -
Und in der Nacht von den Sergeanten träumt - -

                         5

Schon kommen Sonntage und Abende,
In denen ich ganz leer und lustlos schreite,
Ganz gläsern bin, zum Spaß mit Hunden spiele,
Ach, oder kleine Steine, die ich fand,
Mühsam und sinnlos durch die Straßen schleife.
Oft steh ich auch an meinen Fenstern faul herum,
Unschlüssig: soll ich nun in Bierlokalen
Mit Kameraden runden Stumpfsinn pflegen,
In flinken Kinos meine müden
Elenden Stunden töten und zum Zeitvertreib
Gutwillge Mädchen suchen: oder soll ich nur
In meiner Stube endlos auf und ab gehn.

Ich, der die Nächte wie ein Narr durchlief,
Zum Himmel schreiend tausend Wunder suchte.



Hinweis: Sollte der obenstehende Text wider unseres Wissens nicht frei von Urheberrechten sein, bitten wir Sie, uns umgehend darüber zu informieren. Wir werden ihn dann unverzüglich entfernen.

 

Anmelden
Benutzername

Passwort

Eingeloggt bleiben

Neu registrieren?
Passwort vergessen?

Neues aus dem Forum


Gedichte von Georg Trakl

Verweise
> Gedichtband Dunkelstunden
> Neue Gedichte: fahnenrost
> Kunstportal xarto.com
> New Eastern Europe
> Free Tibet
> Naturschutzbund





Das Fliegende Spaghettimonster

Ukraine | Anti-Literatur | Datenschutz | FAQ | Impressum | Rechtliches | Partnerseiten | Seite empfehlen | RSS

Systementwurf und -programmierung von zerovision.de

© 2001-2024 by Arne-Wigand Baganz

v_v3.53 erstellte diese Seite in 0.008548 sek.