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Archiv klassischer Werke


 
Beethovens Büste
Nikolaus Lenau
Traurig kehrt ich eines Abends
In mein einsam düstres Zimmer,
Überraschend drin entgegen
Blinkte mir ein Freudenschimmer.

Mit dem sichern Blick der Liebe
Hatt ein Freund den Spalt getroffen,
Wo des Unmuts düstre Zelle
Blieb dem Strahl der Freude offen.

Ha! ich fand des Mannes Büste,
Den ich höchst als Meister ehre
Nebst dem schroffen Urgebirge
Und dem grenzenlosen Meere.

Ein Gewitter in den Alpen,
Stürme auf dem Ozeane
Und das große Herz Beethovens,
Laut im heiligen Orkane,

Sind die Wecker mir des Mutes,
Der das Schicksal wagt zu fodern,
Der den letzten Baum des Edens
Lächelnd sieht zu Asche lodern.

Kämpfen lern ich ohne Hassen,
Glühend lieben und entsagen,
Und des Todes Wonneschauer,
Wenn Beethovens Lieder klagen;

Wenn sie jubeln, Leben schmetternd,
Daß die tiefsten Gräber klüften
Und ein dionysisch Taumeln
Rauschet über allen Grüften.

Wenn sie zürnen, hör ich rasseln
Menschenwillens heilge Speere,
Und besiegt zum Abgrund, heulend,
Flüchten die Dämonenheere. –

Sanftes Wogen, holdes Rieseln;
Sind des Weltmeers kühle Wellen
Süß beseelt zu Liebesstimmen?
Wie sie steigen, sinken, schwellen!

Auf der glatten Muscheldiele
Halten Nixen ihre Reigen,
Keime künftger Nachtigallen
Träumen auf Korallenzweigen.

Horch! noch leiser! dem Naturgeist
Abgelauschte Lieder sind es,
Die er flüstert in das erste
Träumen eines schönen Kindes;

Die er spielt auf Mondstrahlsaiten,
Ob dem Abgrund ausgespannten,
Deren Rhythmen in der Erdnacht
Starren zu Kristallenkanten;

Und nach deren Zaubertakten
Rose läßt die Knospe springen,
Kranich aus des Herbstes Wehmut
Lüftet seine Wanderschwingen. –

Ach, Coriolan! vorüber
Ist das Ringen, wilde Pochen,
Plötzlich sinds die letzten Töne,
Dumpf verhallend und gebrochen.

Wie der Held im schönen Frevel
Überstürmte alle Schranken,
Dann – der tragisch Überwundne
Stehn geblieben in Gedanken.

Sinnend starrt er in den Boden,
Sein Verhängnis will Genüge;
Fallen muß er, stummes Leiden
Zuckt um seine edlen Züge. –

Horch! im Zwiespalt dieser Töne
Klingt der Zeiten Wetterscheide,
Jetzo rauschen sie Versöhnung
Nach der Menschheit Kampf und Leide.

In der Symphonien Rauschen,
Heiligen Gewittergüssen,
Seh ich Zeus auf Wolken nahn und
Christi blutge Stirne küssen;

Hört das Herz die große Liebe
Alles in die Arme schließen,
Mit der alten Welt die neue
In die ewige zerfließen.


(1841)



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