Der wahre Weg geht über ein Seil, das nicht in der Höhe gespannt ist, sondern
knapp über dem Boden. Es scheint mehr bestimmt stolpern zu machen, als begangen
zu werden.
Alle menschlichen Fehler sind Ungeduld, ein vorzeitiges Abbrechen des
Methodischen, ein scheinbares Einpfählen der scheinbaren Sache.
Es gibt zwei menschliche Hauptsünden, aus welchen sich alle andern ableiten:
Ungeduld und Lässigkeit. Wegen der Ungeduld sind sie aus dem Paradiese
vertrieben worden, wegen der Lässigkeit kehren sie nicht zurück. Vielleicht aber
gibt es nur eine Hauptsünde: die Ungeduld. Wegen der Ungeduld sind sie
vertrieben worden, wegen der Ungeduld kehren sie nicht zurück.
Viele Schatten der Abgeschiedenen beschäftigen sich nur damit die Fluten des
Totenflusses zu belecken, weil er von uns herkommt und noch den salzigen
Geschmack unserer Meere hat. Vor Ekel sträubt sich dann der Fluß, nimmt eine
rückläufige Strömung und schwemmt die Toten ins Leben zurück. Sie aber sind
glücklich, singen Danklieder und streicheln den Empörten.
Von einem gewissen Punkt an gibt es keine Rückkehr mehr. Dieser Punkt ist zu
erreichen.
Der entscheidende Augenblick der menschlichen Entwicklung ist immerwährend.
Darum sind die revolutionären geistigen Bewegungen, welche alles frühere für
nichtig erklären, im Recht, denn es ist noch nichts geschehn.
Eines der wirksamsten Verführungsmittel des Bösen ist die Aufforderung zum
Kampf. Er ist wie der Kampf mit Frauen, der im Bett endet.
Eine stinkende Hündin, reichliche Kindergebärerin, stellenweise schon faulend,
die aber in meiner Kindheit mir alles war, die in Treue unaufhörlich mir folgt,
die ich zu schlagen mich nicht überwinden kann, vor der ich aber, selbst ihren
Atem scheuend, schrittweise nach rückwärts weiche und die mich doch, wenn ich
mich nicht anders entscheide, 'in den schon sichtbaren Mauerwinkel drängen wird,
um dort auf mir und mit mir gänzlich zu verwesen, bis zum Ende – ehrt es mich? –
das Eiter- und Wurm-Fleisch ihrer Zunge an meiner Hand.
A. ist sehr aufgeblasen, er glaubt im Guten weit vorgeschritten zu sein, da er,
offenbar als ein immer verlockenderer Gegenstand immer mehr Versuchungen aus ihm
bisher ganz unbekannten Richtungen sich ausgesetzt fühlt. Die richtige Erklärung
ist aber die, daß ein großer Teufel in ihm Platz genommen hat und die Unzahl der
Kleineren herbeikommt, um dem Großen zu dienen.
Verschiedenheit der Anschauungen, die man etwa von einem Apfel haben kann: die
Anschauung des kleinen Jungen, der den Hals strecken muß, um noch knapp den
Apfel auf der Tischplatte zu sehn und die Anschauung des Hausherrn, der den
Apfel nimmt und frei dem Tischgenossen reicht.
Ein erstes Zeichen beginnender Erkenntnis ist der Wunsch zu sterben. Dieses
Leben scheint unerträglich, ein anderes unerreichbar. Man schämt sich nicht
mehr, sterben zu wollen; man bittet aus der alten Zelle, die man haßt, in eine
neue gebracht zu werden, die man erst hassen lernen wird. Ein Rest von Glauben
wirkt dabei mit, während des Transportes werde zufällig der Herr durch den Gang
kommen, den Gefangenen ansehn und sagen: "Diesen sollt Ihr nicht wieder
einsperren. Er kommt zu mir. "
Giengest Du über eine Ebene, hättest den guten Willen zu gehn und machtest doch
Rückschritte, dann wäre es eine verzweifelte Sache; da Du aber einen steilen
Abhang hinaufkletterst, so steil etwa, wie Du selbst von unten gesehen bist,
können die Rückschritte auch nur durch die Bodenbeschaffenheit verursacht sein
und Du mußt nicht verzweifeln.
Wie ein Weg im Herbst: kaum ist er rein gekehrt, bedeckt er sich wieder mit den
trockenen Blättern.
Ein Käfig ging einen Vogel suchen.
An diesem Ort war ich noch niemals: anders geht der Atem, blendender als die
Sonne strahlt neben ihr ein Stern.
Wenn es möglich gewesen wäre, den Turm von Babel zu erbauen, ohne ihn zu
erklettern, es wäre erlaubt worden.
Laß Dich vom Bösen nicht glauben machen, Du könntest vor ihm Geheimnisse haben.
Leoparden brechen in den Tempel ein und saufen die Opferkrüge leer; das
wiederholt sich immer wieder; schließlich kann man es vorausberechnen und es
wird ein Teil der Ceremonie.
So fest wie die Hand den Stein hält. Sie hält ihn aber fest nur um ihn desto
weiter zu verwerfen. Aber auch in jene Weite führt der Weg.
Du bist die Aufgabe. Kein Schüler weit und breit.
Vom wahren Gegner fährt grenzenloser Mut in Dich.
Das Glück begreifen, daß der Boden, auf dem Du stehst, nicht größer sein kann,
als die zwei Füße ihn bedecken.
Wie kann man sich über die Welt freuen, außer wenn man zu ihr flüchtet?
Verstecke sind unzählige, Rettung nur eine, aber Möglichkeiten der Rettung
wieder soviele wie Verstecke.
Es gibt ein Ziel, aber keinen Weg; was wir Weg nennen, ist Zögern.
Das Negative zu tun, ist uns noch auferlegt, das Positive ist uns schon gegeben.
Wenn man einmal das Böse bei sich aufgenommen hat, verlangt es nicht mehr, daß
man ihm glaube.
Die Hintergedanken, mit denen Du das Böse in Dir aufnimmst, sind nicht die
Deinen, sondern die des Bösen.
Das Tier entwindet dem Herrn die Peitsche und peitscht sich selbst um Herr zu
werden und weiß nicht daß das nur eine Phantasie ist, erzeugt durch einen neuen
Knoten im Peitschenriemen des Herrn.
Das Gute ist in gewissem Sinne trostlos.
Nach Selbstbeherrschung strebe ich nicht. Selbstbeherrschung heißt: an einer
zufälligen Stelle der unendlichen Ausstrahlungen meiner geistigen Existenz
wirken wollen. Muß ich aber solche Kreise um mich ziehn, dann tue ich es besser
untätig im bloßen Anstaunen des ungeheuerlichen Komplexes und nehme nur die
Stärkung, die e contrario dieser Anblick gibt, mit nachhause.
Die Krähen behaupten, eine einzige Krähe könnte den Himmel zerstören. Das ist
zweifellos, beweist aber nichts gegen den Himmel, denn Himmel bedeuten eben:
Unmöglichkeit von Krähen.
Die Märtyrer unterschätzen den Leib nicht, sie lassen ihn auf dem Kreuz erhöhn,
darin sind sie mit ihren Gegnern einig.
Sein Ermatten ist das des Gladiators nach dem Kampf, seine Arbeit war das Weiß
tünchen eines Winkels in einer Beamtenstube.
Es gibt kein Haben, nur ein Sein, nur ein nach letztem Atem, nach Ersticken
verlangendes Sein.
Früher begriff ich nicht, warum ich auf meine Frage keine Antwort bekam, heute
begreife ich nicht, wie ich glauben konnte fragen zu können. Aber ich glaubte ja
gar nicht, ich fragte nur.
Seine Antwort auf die Behauptung, er besitze vielleicht, sei aber nicht, war nur
Zittern und Herzklopfen.
Einer staunte darüber, wie leicht er den Weg der Ewigkeit gieng; er raste ihn
nämlich abwärts.
Dem Bösen kann man nicht in Raten zahlen – und versucht es unaufhörlich.
Es wäre denkbar daß Alexander der Große trotz der kriegerischen Erfolge seiner
Jugend, trotz des ausgezeichneten Heeres, das er ausgebildet hatte, trotz der
auf Veränderung der Welt gerichteten Kräfte die er in sich fühlte, am Hellespont
stehn geblieben und ihn nie überschritten hätte undzwar nicht aus Furcht, nicht
aus Unentschlossenheit, nicht aus Willensschwäche, sondern aus Erdenschwere.
Der Weg ist unendlich, da ist nichts abzuziehn, nichts zuzugeben und doch hält
doch jeder noch seine eigene kindliche Elle daran. "Gewiß auch diese Elle Wegs
mußt Du noch gehn, es wird Dir nicht vergessen werden."
Nur unser Zeitbegriff läßt uns das Jüngste Gericht so nennen, eigentlich ist es
ein Standrecht.
Das Mißverhältnis der Welt scheint tröstlicherweise nur ein zahlenmäßiges zu
sein.
Den ekel- und haßerfüllten Kopf auf die Brust senken.
Noch spielen die Jagdhunde im Hof, aber das Wild entgeht ihnen nicht, so sehr es
jetzt schon durch die Wälder jagt.
Lächerlich hast Du Dich aufgeschirrt für diese Welt.
Je mehr Pferde Du anspannst, desto rascher gehts – nämlich nicht das Ausreißen
des Blocks aus dem Fundament, was unmöglich ist, aber das Zerreißen der Riemen
und damit die leere fröhliche Fahrt.
Das Wort "sein" bedeutet im Deutschen beides: Dasein und Ihm-gehören.
Es wurde ihnen die Wahl gestellt Könige oder der Könige Kuriere zu werden. Nach
Art der Kinder wollten alle Kuriere sein. Deshalb gibt es lauter Kuriere, sie
jagen durch die Welt und rufen, da es keine Könige gibt, einander selbst die
sinnlos gewordenen Meldungen zu. Gerne würden sie ihrem elenden Leben ein Ende
machen, aber sie wagen es nicht wegen des Diensteides.
An Fortschritt glauben heißt nicht glauben daß ein Fortschritt schon geschehen
ist. Das wäre kein Glauben.
A. ist ein Virtuose und der Himmel ist sein Zeuge.
Der Mensch kann nicht leben ohne ein dauerndes Vertrauen zu etwas Unzerstörbarem
in sich, wobei sowohl das Unzerstörbare als auch das Vertrauen ihm dauernd
verborgen bleiben können. Eine der Ausdrucksmöglichkeiten dieses Verborgen-
Bleibens ist der Glaube an einen persönlichen Gott.
Es bedurfte der Vermittlung der Schlange: das Böse kann den Menschen verführen,
aber nicht Mensch werden."
Im Kampf zwischen Dir und der Welt sekundiere der Welt.
Man darf niemanden betrügen, auch nicht die Welt um ihren Sieg.
Es gibt nichts anderes als eine geistige Welt; was wir sinnliche Welt nennen ist
das Böse in der geistigen und was wir böse nennen ist nur eine Notwendigkeit
eines Augenblicks unserer ewigen Entwicklung.
Mit stärkstem Licht kann man die Welt auflösen. Vor schwachen Augen wird sie
fest, vor noch schwächeren bekommt sie Fäuste, vor noch schwächeren wird sie
schamhaft und zerschmettert den, der sie anzuschauen wagt.
Alles ist Betrug: das Mindestmaß der Täuschungen suchen, im üblichen bleiben,
das Höchstmaß suchen. Im ersten Fall betrügt man das Gute, indem man sich dessen
Erwerbung zu leicht machen will, das Böse, indem man ihm allzu ungünstige
Kampfbedingungen setzt. Im zweiten Fall betrügt man das Gute, indem man also
nicht einmal im Irdischen nach ihm strebt. Im dritten Fall betrügt man das Gute,
indem man sich möglichst weit von ihm entfernt, das Böse, indem man hofft, durch
seine Höchststeigerung es machtlos zu machen. Vorzuziehn wäre also hienach der
zweite Fall, denn das Gute betrügt man immer, das Böse in diesem Fall,
wenigstens dem Anschein nach, nicht.
Es gibt Fragen, über die wir nicht hinwegkommen könnten, wenn wir nicht von
Natur aus von ihnen befreit wären.
Die Sprache kann für alles außerhalb der sinnlichen Welt nur andeutungsweise,
aber niemals auch nur annähernd vergleichsweise gebraucht werden, da sie
entsprechend der sinnlichen Welt nur vom Besitz und seinen Beziehungen handelt.
Man lügt möglichst wenig, nur wenn man möglichst wenig lügt, nicht wenn man
möglichst wenig Gelegenheit dazu hat.
Eine durch Schritte nicht tief ausgehöhlte Treppenstufe ist, von sich selbst aus
gesehn, nur etwas öde zusammengefügtes Hölzernes.
Wer der Welt entsagt, muß alle Menschen lieben, denn er entsagt auch ihrer Welt.
Er beginnt daher das wahre menschliche Wesen zu ahnen, das nicht anders als
geliebt werden kann, vorausgesetzt daß man ihm ebenbürtig ist.
Wer innerhalb der Welt seinen Nächsten liebt tut nicht mehr und nicht weniger
Unrecht als wer innerhalb der Welt sich selbst liebt. Es bliebe nur die Frage,
ob das erstere möglich ist.
Die Tatsache, daß es nichts anderes gibt als eine geistige Welt, nimmt uns die
Hoffnung und gibt uns die Gewißheit.
Unsere Kunst ist ein von der Wahrheit Geblendet-Sein: Das Licht auf dem
zurückweichenden Fratzengesicht ist wahr, sonst nichts.
Die Vertreibung aus dem Paradies ist in ihrem Hauptteil ewig: Es ist also zwar
die Vertreibung aus dem Paradies endgiltig, das Leben in der Welt
unausweichlich, die Ewigkeit des Vorgangs aber macht es trotzdem möglich, daß
wir nicht nur dauernd im Paradiese bleiben könnten, sondern tatsächlich dort
dauernd sind, gleichgültig ob wir es hier wissen oder nicht.
Er ist ein freier und gesicherter Bürger der Erde, denn er ist an eine Kette
gelegt, die lang genug ist, um ihm alle irdischen Räume frei zu geben und doch
nur so lang, daß nichts ihn über die Grenzen der Erde reißen kann. Gleichzeitig
aber ist er auch ein freier und gesicherter Bürger des Himmels, denn er ist auch
an eine ähnlich berechnete Himmelskette gelegt. Will er nun auf die Erde
drosselt ihn das Halsband des Himmels, will er in den Himmel jenes der Erde. Und
trotzdem hat er alle Möglichkeiten und fühlt es, ja er weigert sich sogar das
Ganze auf einen Fehler bei der ersten Fesselung zurückzuführen.
Er läuft den Tatsachen nach wie ein Anfänger im Schlittschuhlaufen, der überdies
irgendwo übt, wo es verboten ist.
Was ist fröhlicher als der Glaube an einen Hausgott!
Theoretisch gibt es eine vollkommene Glücksmöglichkeit: An das Unzerstörbare in
sich glauben und nicht zu ihm streben.
Das Unzerstörbare ist eines; jeder einzelne Mensch ist es und gleichzeitig ist
es allen gemeinsam, daher die beispiellos untrennbare Verbindung der Menschen.
Es gibt im gleichen Menschen Erkenntnisse, die bei völliger Verschiedenheit doch
das gleiche Objekt haben, sodaß wieder nur auf verschiedene Subjekte im gleichen
Menschen rückgeschlossen werden muß."
Er frißt den Abfall vom eigenen Tisch; dadurch wird er zwar ein Weilchen lang
satter als alle, verlernt aber oben vom Tisch zu essen; dadurch hört dann aber
auch der Abfall auf.
Wenn das, was im Paradies zerstört worden sein soll, zerstörbar war, dann war es
nicht entscheidend; war es aber unzerstörbar, dann leben wir in einem falschen
Glauben.
Prüfe Dich an der Menschheit. Den Zweifelnden macht sie zweifeln, den Glaubenden
glauben.
Dieses Gefühl: "hier ankere ich nicht" und gleich die wogende tragende Flut um
sich fühlen.
Ein Umschwung. Lauernd, ängstlich, hoffend umschleicht die Antwort die Frage,
sucht verzweifelt in ihrem unzugänglichen Gesicht, folgt ihr auf den
sinnlosesten d. h. von der Antwort möglichst wegstrebenden Wegen.
Verkehr mit Menschen verführt zur Selbstbeobachtung.
Der Geist wird erst frei, wenn er aufhört, Halt zu sein.
Die sinnliche Liebe täuscht über die himmlische hinweg; allein könnte sie es
nicht, aber da sie das Element der himmlischen Liebe unbewußt in sich hat, kann
sie es.
Wahrheit ist unteilbar, kann sich also selbst nicht erkennen; wer sie erkennen
will, muß Lüge sein.
Niemand kann verlangen, was ihm im letzten Grunde schadet. Hat es beim einzelnen
Menschen doch diesen Anschein – und den hat es vielleicht immer – so erklärt
sich dies dadurch, daß jemand im Menschen etwas verlangt, was diesem jemand zwar
nützt, aber einem zweiten jemand, der halb zur Beurteilung des Falles
herangezogen wird,
schwer schadet. Hätte sich der Mensch gleich anfangs, nicht
erst bei der Beurteilung auf Seite des zweiten jemand gestellt, wäre der erste
jemand erloschen und mit ihm das Verlangen.
Warum klagen wir wegen des Sündenfalls? Nicht seinetwegen sind wir aus dem
Paradiese vertrieben worden, sondern wegen des Baumes des Lebens, damit wir
nicht von ihm essen.
Wir sind nicht nur deshalb sündig, weil wir vom Baum der Erkenntnis gegessen
haben, sondern auch deshalb, weil wir vom Baum des Lebens noch nicht gegessen
haben. Sündig ist der Stand, in dem wir uns befinden, unabhängig von Schuld.
Wir wurden geschaffen, um im Paradies zu leben, das Paradies war bestimmt uns zu
dienen. Unsere Bestimmung ist geändert worden; daß dies auch mit der Bestimmung
des Paradieses geschehen wäre, wird nicht gesagt.
Das Böse ist eine Ausstrahlung des menschlichen Bewußtseins in bestimmten
Übergangsstellungen. Nicht eigentlich die sinnliche Welt ist Schein, sondern ihr
Böses, das allerdings für unsere Augen die sinnliche Welt bildet.
Seit dem Sündenfall sind wir in der Fähigkeit zur Erkenntnis des Guten und Bösen
im Wesentlichen gleich; trotzdem suchen wir gerade hier unsere besonderen
Vorzüge. Aber erst jenseits dieser Erkenntnis beginnen die wahren
Verschiedenheiten. Der gegenteilige Schein wird durch Folgendes hervorgerufen:
Niemand kann sich mit der Erkenntnis allein begnügen, sondern muß sich
bestreben, ihr gemäß zu handeln. Dazu aber ist ihm die Kraft nicht mitgegeben,
er muß daher sich zerstören, selbst auf die Gefahr hin, sogar dadurch die
notwendige Kraft nicht zu erhalten, aber es bleibt ihm nichts anderes übrig als
dieser letzte Versuch. (Das ist auch der Sinn der Todesdrohung beim Verbot des
Essens vom Baume der Erkenntnis; vielleicht ist das auch der ursprüngliche Sinn
des natürlichen Todes.) Vor diesem Versuch nun fürchtet er sich; lieber will er
die Erkenntnis des Guten und Bösen rückgängig machen; (die Bezeichnung:
"Sündenfall" geht auf diese Angst zurück) aber das Geschehene kann nicht
rückgängig gemacht, sondern nur getrübt werden. Zu diesem Zweck entstehen die
Motivationen. Die ganze Welt ist ihrer voll, ja die ganze sichtbare Welt ist
vielleicht nichts anderes, als eine Motivation des einen Augenblick lang
ruhenwollenden Menschen. Ein Versuch, die Tatsache der Erkenntnis zu fälschen,
die Erkenntnis erst zum Ziel zu machen.
Ein Glaube wie ein Fallbeil, so schwer, so leicht.
Der Tod ist vor uns, etwa wie im Schulzimmer an der Wand ein Bild der
Alexanderschlacht. Es kommt darauf an, durch unsere Taten noch in diesem Leben
das Bild zu verdunkeln oder gar auszulöschen.
Zwei Möglichkeiten: sich unendlich klein machen oder es sein. Das erste ist
Vollendung also Untätigkeit, das zweite Beginn, also Tat.
Zur Vermeidung eines Wort-Irrtums: Was tätig zerstört werden soll, muß vorher
ganz fest gehalten worden sein; was zerbröckelt, zerbröckelt, kann aber nicht
zerstört werden.
Die erste Götzenanbetung war gewiß Angst vor den Dingen, aber damit
zusammenhängend Angst vor der Notwendigkeit der Dinge und damit zusammenhängend
Angst vor der Verantwortung für die Dinge. So ungeheuer erschien diese
Verantwortung daß man sie nicht einmal einem einzigen Außermenschlichen
aufzuerlegen wagte, denn auch durch Vermittlung bloß eines Wesens wäre die
menschliche Verantwortung noch nicht genug erleichtert worden, der Verkehr mit
nur einem Wesen wäre noch allzusehr von Verantwortung befleckt gewesen, deshalb
gab man jedem Ding die Verantwortung für sich selbst, mehr noch, man gab diesen
Dingen auch noch eine verhältnismäßige Verantwortung für den Menschen.
Zum letztenmal Psychologie!
Zwei Aufgaben des Lebensanfangs: Deinen Kreis immer mehr einschränken und immer
wieder nachprüfen, ob Du Dich nicht irgendwo außerhalb Deines Kreises versteckt
hältst.
Das Böse ist manchmal in der Hand wie ein Werkzeug, erkannt oder unerkannt, läßt
es sich, wenn man den Willen hat, ohne Widerspruch zur Seite legen.
Die Freuden dieses Lebens sind nicht die seinen, sondern unsere Angst vor dem
Aufsteigen in ein höheres Leben; die Qualen dieses Lebens sind nicht die seinen,
sondern unsere Selbstqual wegen jener Angst.
Nur hier ist Leiden Leiden. Nicht so, als ob die, welche hier leiden, anderswo
wegen dieses Leidens erhöht werden sollen, sondern so, daß das was in dieser
Welt Leiden heißt, in einer andern Welt, unverändert und nur befreit von seinem
Gegensatz, Seligkeit ist.
Die Vorstellung von der unendlichen Weite und Fülle des Kosmos ist das Ergebnis
der zum Äußersten getriebenen Mischung von mühevoller Schöpfung und freier
Selbstbesinnung.
Wieviel bedrückender als die unerbittlichste Überzeugung von unserem
gegenwärtigen sündhaften Stand ist selbst die schwächste Überzeugung von der
einstigen ewigen Rechtfertigung unserer Zeitlichkeit. Nur die Kraft im Ertragen
dieser zweiten Überzeugung, welche in ihrer Reinheit die erste voll umfaßt, ist
das Maß des Glaubens.
Manche nehmen an, daß neben dem großen Urbetrug noch in jedem Fall eigens für
sie ein kleiner besonderer Betrug veranstaltet wird, daß also wenn ein
Liebesspiel auf der Bühne aufgeführt wird, die Schauspielerin außer dem
verlogenen Lächeln für ihren Geliebten auch noch ein besonders hinterhältiges
Lächeln für den ganz bestimmten Zuschauer auf der letzten Gallerie hat. Das
heißt zu weit gehn.
Es kann ein Wissen vom Teuflischen geben, aber keinen Glauben daran, denn mehr
Teuflisches, als da ist, gibt es nicht.
Die Sünde kommt immer offen und ist mit den Sinnen gleich zu fassen. Sie geht
auf ihren Wurzeln und muß nicht ausgerissen werden.
Alle Leiden um uns müssen auch wir leiden. Wir alle haben nicht einen Leib aber
ein Wachstum und das führt uns durch alle Schmerzen, ob in dieser oder jener
Form. So wie das Kind durch alle Lebensstadien bis zum Greis und zum Tod sich
entwickelt (und jedes Stadium im Grunde dem früheren, im Verlangen oder in
Furcht, unerreichbar scheint) ebenso entwickeln wir uns (nicht weniger tief mit
der Menschheit verbunden als mit uns selbst) durch alle Leiden dieser Welt. Für
Gerechtigkeit ist in diesem Zusammenhang kein Platz, aber auch nicht für Furcht
vor den Leiden oder für die Auslegung des Leidens als eines Verdienstes.
Du kannst Dich zurückhalten von den Leiden der Welt, das ist Dir freigestellt
und entspricht Deiner Natur, aber vielleicht ist gerade dieses Zurückhalten das
einzige Leid, das Du vermeiden könntest.
Der Mensch hat freien Willen undzwar dreierlei:
Erstens war er frei, als er dieses Leben wollte; jetzt kann er es allerdings
nicht mehr rückgängig machen, denn er ist nicht mehr jener, der es damals
wollte, es wäre denn insoweit, als er seinen damaligen Willen ausführt, indem er
lebt.
Zweitens ist er frei, indem er die Gangart und den Weg dieses Lebens wählen
kann.
Drittens ist er frei, indem er als derjenige, der er einmal wieder sein wird,
den Willen hat, sich unter jeder Bedingung durch das Leben gehn und auf diese
Weise zu sich kommen zu lassen undzwar auf einem zwar wählbaren, aber jedenfalls
derartig labyrinthischen Weg, daß er kein Fleckchen dieses Lebens unberührt
läßt.
Das ist das Dreierlei des freien Willens, es ist aber auch, da es gleichzeitig
ist, ein Einerlei und ist im Grunde so sehr Einerlei, daß es keinen Platz hat
für einen Willen, weder für einen freien noch unfreien.
Das Verführungsmittel dieser Welt sowie das Zeichen der Bürgschaft dafür, daß
diese Welt nur ein Übergang ist, ist das gleiche. Mit Recht, denn nur so kann
uns diese Welt verführen und es entspricht der Wahrheit. Das Schlimme ist aber,
daß wir nach geglückter Verführung die Bürgschaft vergessen und so eigentlich
das Gute uns ins Böse, der Blick der Frau in ihr Bett gelockt hat.
Die Demut gibt jedem, auch dem einsam Verzweifelnden
das stärkste Verhältnis zum
Mitmenschen undzwar sofort, allerdings nur bei völliger und dauernder Demut. Sie
kann das deshalb, weil sie die wahre Gebetsprache ist, gleichzeitig Anbetung und
festeste Verbindung. Das Verhältnis zum Mitmenschen ist das Verhältnis des
Gebetes, das Verhältnis zu sich das Verhältnis des Strebens; aus dem Gebet wird
die Kraft für das Streben geholt.
Kannst Du denn etwas anderes kennen als Betrug? Wird einmal der Betrug
vernichtet darfst Du ja nicht hinsehn oder Du wirst zur Salzsäule.
Alle sind zu A. sehr freundlich, so etwa wie man ein ausgezeichnetes Billard
selbst vor guten Spielern sorgfältig zu bewahren sucht, solange bis der große
Spieler kommt, das Brett genau untersucht, keinen vorzeitigen Fehler duldet,
dann aber, wenn er selbst zu spielen anfängt, sich auf die rücksichtsloseste
Weise auswütet.
"Dann aber kehrte er zu seiner Arbeit zurück, so wie wenn nichts geschehen wäre.
" Das ist eine Bemerkung, die uns aus einer unklaren Fülle alter Erzählungen
geläufig ist, trotzdem sie vielleicht in keiner vorkommt.
"Daß es uns an Glauben fehle, kann man nicht sagen. Allein die einfache Tatsache
unseres Lebens ist in ihrem Glaubenswert gar nicht auszuschöpfen."
"Hier wäre ein Glaubenswert? Man kann doch nicht nicht-leben."
"Eben in diesem «kann doch nicht» steckt die wahnsinnige Kraft des Glaubens; in
dieser Verneinung bekommt sie Gestalt."
Es ist nicht notwendig, daß Du aus dem Haus gehst. Bleib bei Deinem Tisch und horche. Horche nicht einmal, warte nur. Warte nicht einmal, sei völlig still und allein. Anbieten wird sich Dir die Welt zur Entlarvung, sie kann nicht anders, verzückt wird sie sich vor Dir winden.