Geburtsnacht-Traum Christian Friedrich Hebbel Ich durfte über Nacht im Traum Ein seltsam Fest begehen, Ich habe meine Väter all' Um mich vereint gesehen.
Mein Vater führte stumm den Zug, Er lächelte hinüber, Dann aber wandte er sich ab, Ihm ward das Auge trüber.
Es war der Letzte, welcher starb, Noch hatt' er all' die Milde; Der Himmel hatte Nichts verschönt An seinem theuren Bilde.
Großvater nahte nun heran, Der mich zu wiegen pflegte, Eh', wie er mich, ihn selbst der Tod In's stille Bette legte.
Ich habe ihn sogleich erkannt, Als hätte, wie die Nische Den Heiligen, mein Herz sein Bild Bewahrt in voller Frische.
Sein Auge weilte, wie erstaunt, Auf mir und schien zu fragen: Bist du dasselbe kleine Kind, Das einst mein Arm getragen?
Großmutter auch, sie nahte sich, Die mildeste der Frauen; Auf meinen Vater schien sie bald Und bald auf mich zu schauen.
Und als sie fand, daß ich ihm glich, Ging in den bleichen Zügen, Als wär's ein neues Leben, auf Das innigste Vergnügen.
Nun trat ein ernster Mann herzu, Den ich nicht mehr erkannte, Doch sah ich, daß er freundlich sich Zu meinem Vater wandte.
Und immer größer ward die Schaar Von Männern, welche kamen, Und stets durchzuckte mir's die Brust: Du bist von ihrem Samen!
Auch zarter Frauen nahten viel In Trachten, fremd und eigen; Ein schlummerndes Jahrhundert schien Mit jeder aufzusteigen.
Die sanften Augen waren all' So süß auf mich geheftet, Doch war der lächelnd holde Mund, Zur Rede zu entkräftet.
Vom Thurme schlug es, dumpf und bang, Sie schieden mit Getümmel; Die Männer deuteten auf's Grab, Die Frauen auf den Himmel.
Das war die Stund', die mich gebar; Nun frag' ich mich mit Beben: Ob sich das Leben und der Tod Im Grabe noch verweben?
Ob, die sich regt in meiner Brust, Die ungestüme Flamme, Die Todten noch im Schlummer stört, Aus deren Blut ich stamme?
Ob sie mir blaß zur Seite geh'n, Unmächtig, zu erscheinen, Und lächeln, wenn ich glücklich bin, Und wenn ich's nicht bin, weinen?
Und ob ich selbst dereinst mein Kind, Statt ruhig auszuschlafen, Durch Nacht und Sturm begleiten muß Bis an den letzten Hafen?
Hinweis: Sollte der
obenstehende Text wider unseres Wissens nicht frei von
Urheberrechten sein, bitten wir Sie, uns umgehend darüber zu
informieren. Wir werden ihn dann unverzüglich entfernen.