Verewigung Richard Dehmel Freund in der Ferne, wer du auch seist,
Flüchtling auf der Erde wie ich,
die wir zwischen den Sternen hausen,
du ein Unvergänglicher,
ich ein Unvergänglicher,
weil wir's fühlen –
sieh, ich feire eine Seelenbefreiung.
Ich sitze am Sarg einer lieben Gestalt,
wie ich an manchem Sarg schon saß
und an manchem noch sitzen werde:
ich habe geweint, ich lächle.
Diese liebe Gestalt wird bald zerfallen;
nie mehr wird ihr Mund mir Rätsel aufgeben,
ihre Hand mir die Stirnfalten lösen,
nie wieder werden ihre Augen
mir die Sonne ins Herzdunkel spiegeln.
Nichts wird weiterleben von ihrer schlanken Erscheinung,
nichts als ein Schemen in meinem Gedächtnis,
bald verdrängt durch ihr Bild von fremder Malershand,
durch viele andre Schattenbilder,
und auch die werden alle zerfallen.
Nur was sie seelvoll zusammenhielt,
was uns zusammenhält noch beide,
warum wir Blick in Blick einst erbebten:
nur das wird bleiben zwischen den Sternen,
wird immer neue Gestalt annehmen,
wird warten, daß auch ich mich verwandle,
bis wir einander wieder erscheinen
in den Schaaren der Ätherdämonen,
wieder erbeben.
Dann werden wir uns wohl begrüßen
wie einst auf Erden das erste Mal:
uns nicht erkennend, nur beglückend,
viel zu beseligt der neuen Gegenwart,
als daß wir alter Zeiten gedächten.
Und werden uns wohl wieder wundern,
im stillen fühlend: das letzte Mal,
da haben wir geweint zusammen,
da mußten wir uns noch befreien –
jetzt lächeln wir, jetzt lächeln wir –
wir Unvergänglichen – –
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