Hubertus Prinz zu Löwenstein-Wertheim-Freudenberg (1906-1984) ist Stefan George nie begegnet, hat dem, was man seinen Kreis nennt, nie angehört - und doch webte er Geist vom seinem Geiste, glühte in ihm ein Feuerlein deutscher Restromantik, die in ihrem Wesen schließlich immer eine Art Rebellion, in welcher die Kunst als tolles Kunststück das Leben übertrumpfen soll, war. Aber Löwenstein blieb - anders als viele seiner Mitstreiter - nicht allein bei Worten: Auch war er ein Mann der Tat. Früh warnte der Prinz vor Hitler, unterstützte die Republik im Spanischen Bürgerkrieg und fuhr 1956 gar nach Budapest, um dort ein öffentliches Zeichen für die gegen die Sowjetunion Aufständischen zu setzen. Löwenstein als Streunender war Politiker, Historiker, Romancier.
Als letzterer verfasste der Prinz in die bunte Vergangenheit projizierte Titel wie "Traianus. Weltherrscher im Aufgang des Christentums.", "Seneca – Kaiser ohne Purpur." und "Alabanda oder der deutsche Jüngling in Griechenland". Der Alabanda, welcher hier fortan und kurz besprochen werden soll, erschien erst posthum 1986. Schon der an Friedrich Hölderlin angelehnte Titel ("Hyperion oder Der Eremit in Griechenland") verrät, in welche geistigen Bezirke der Autor mit seiner Trireme zielt. Der Alabanda - das ist die von ihm selbst erzählte Geschichte eines bayerischen Waisenkindes im frühen 19. Jahrhundert. Friedrich wird es genannt, geboren im Schicksalsjahre 1812, nur sechs Wochen später fällt der Vater im Dienste Napoleons beim Übergang über die Beresina. Vaterlos lebt Friedrich, so er in seinem zweiten Wesenszehnt weilt, in der Welt der Dichter: Alles, was ihn umgibt, was er wahrnimmt, das sind nur Verweise auf Verse von Schiller, Goethe, Hölderlin, die das Buch wie helle Glocken durchläuten: "Von früher Jugend an lebt ich lieber als sonstwo auf den Küsten von Ionien und Attika und den schönen Inseln des Archipelagos" - das ist schon des Alabandas Vorspruch und mit heiligem Ernst gemeint. Als wären die Verweise der wirkliche Grund der Dinge. Scardanelli im Hölderlinturm.
Anders als dem Hölderlin-Friedrich ist es Alabanda-Friedrich vergönnt, Hellas eigenen Augs zu sehen: "Ich wollte", berichtet er, "Mistra und Sparta nicht so schnell wieder verlassen, seitdem mir plötzlich zu Bewußtsein kam, daß mein Hölderlin hier große Taten schildert, vollbracht von Hyperion". Der Dichter als Leuchte und Leite, mit Wortgestrüpp das nackte Leben überwuchernd. Wie schön?
Griechenland, die geliebte Leinwand deutscher Sehnsüchte, droht zum Anfang des 19. Jahrhunderts sein durch die nachträgliche Konstruktion der Geschichte mystifiziertes Gesicht unter wilden "Barbaren-Türken" zu verlieren. Erst die Seeschlacht von Navarino wendet das Blatt, im Londoner Protokoll von 1830 erkennt das Osmanische Reich Griechenland als Staat an, 1832 ist dort schon der bayerische Prinz Otto König. In diesem Zusammenhange ist der Alabanda-Friedrich in Griechenland unterwegs: "um Konstantinopel von den Türken zu befreien", zum Ruhme älteren Ruhmes.
Nun schnell, weiteren künstlich arrangierten Geschichtsbombast überspringend:
Auf das Schlachtfeld, das Friedrich gesucht, stürzt sein "blitzender Säbel". So stirbt er jung - "in ephebenhafter Schönheit" und das Buch findet sein Ende.
Jetzt könnte ein Nachgesang, den Stefan George schuf, einsetzen:
"Du schlank und rein wie eine flamme
Du wie der morgen zart und licht
Du blühend reis vom edlen stamme
Du wie ein quell geheim und schlicht"
Das war besser als Löwenstein, kam aber sehr abrupt. Gibt es noch Fragen?
[*] Diese Rezension schrieb: Arne-Wigand Baganz (2009-12-15)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.