Über die erste Hälfte dieses spannenden Kriminalromans aus Schweden, der auf langen Strecken eher wie ein Psychodrama einer vom Schicksal getroffenen Familie und des Dorfes, in dem sie wohnt daherkommt, erzählt Anders de la Motte in zwei Strängen.
Der erste spielt im Spätsommer 1983, als in einem kleinen Dorf in Südschweden der 4 Jahre alte kleine Billy verschwindet. Er spielte im Garten, als ihn ein Kaninchen ablenkt, er ihm folgt bis zu einem Zaun und dann plötzlich nicht mehr da ist. Es folgt die Schilderung einer Suche nach diesem Jungen, bei der der örtliche Polizeichef Krister Mansson die Leitung übernommen hat. Auch als nach einiger Zeit ihm zwei Kriminalpolizisten aus der Stadt vor die Nase gesetzt werden, gibt es keine brauchbaren Ergebnisse. Der im Dorf unbeliebte Tommy Rooth wird verdächtigt, doch man kann ihm nichts nachweisen. Billys Mutter wird depressiv und nachdem sie aus der psychiatrischen Klinik entlassen wird, geht sie aufs Eis und ertrinkt.
Schon direkt nach dem Prolog, in dem Billy verschwindet, fügt Anders de la Motte lange sehr unverständlich und kryptisch bleibende Brieffragmente ein - Absender und Adressat unbekannt. Sie bleiben bis zum Ende des spannenden Romans, der eine völlig überraschende Lösung bringt, unklar.
Der andere Erzählstrang spielt in der Gegenwart des Romans, 20 Jahre nach dem Verschwinden des kleinen Billy. Dessen Schwester Vera, die sich jetzt Veronica nennt, arbeitet nach einer entsprechenden Ausbildung als Therapeutin in Stockholm. Sie hat vor kurzen einen Zusammenbruch erlebt, und hat nun unter der Anleitung ihrer erfahrenen Kollegen Ruud in einer Trauerselbsterfahrungsgruppe als Leiterin die Chance sich zu bewähren und ihren Arbeitsplatz zu sichern.
Als eines Tages ein junger Mann in die Gruppe kommt, sich als Ilka vorstellt und von seinem vor 20 Jahren verschwundenen damaligen Freund erzählt und dabei das Dorf haargenau beschreibt, glaubt Veronica in diesem Mann ihren Bruder zu erkennen.
Sie fährt nach Hause in ihr Dorf und beginnt auf eigene Faust dem damaligen Verschwinden ihres Bruders nachzugehen. Ihr anderen Bruder Michael, der bei der Polizei arbeitet, hilft ihr nach ersten Zweifeln und auch der ominöse junge Mann taucht wieder auf. Kann sie ihm Vertrauen? Ist er tatsächlich der wieder aufgetauchte Billy? Lange bleibt das unklar und der Leser ist hin- und hergerissen.
Man kann das Buch, das in der zweiten Hälfte hauptsächlich in der Gegenwart spielt, kaum aus der Hand legen,. So spitzt sich die Handlung zu, bis ein völlig überraschender Schluss den Leser aus Wolken fallen lässt und die Auflösung bringt.
Anders de la Motte ist in seiner Heimat ein preisgekrönter Schriftsteller. Hierzulande blieben seine bisher erschienenen Bücher eher unbeachtet. Das wird sich nach diesem Knüller sicher ändern.
Anders de la Motte. Sommernachtstod, Droemer 2018, ISBN 978-3-42630624-6
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2018-05-16)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.