Einige Schriftsteller haben sich in den vergangenen Jahren schon an dem Thema versucht, in einem biographisch getönten Roman dem Leben und Werk eines Malers auf die Spur zu kommen. Ich denke insbesondere an das wunderbare Buch von Asta Scheib „Das Schönste, was ich sah“, in dem sie dem Maler Giovanni Segantini ein literarisches Denkmal setzte, oder an den Roman von Carsten Jensen „Rasmussens letzte Reise“, in dem er die verzweifelte Suche eines dänische Marinemalers nach dem Licht beschrieb.
Nun hat die niederländische Schriftstellerin Margriet de Moor einen biographisch geprägten Künstlerroman vorgelegt, der sich in seiner Qualität an ihr Buch “Sturmflut“ anschließt. Es geht um die Geschichte eines Bildes von Rembrandt, das unter dem Titel „Elsje Christiaens hanging in the gibbet“ im Metropolitan Museum of Art in New York hängt. Es ist nicht unbedingt sein bekanntestes Bild, aber Margriet de Moor geht es weniger um das Bild selbst, als um die Geschichte Rembrandts, seine erste Ehe und den frühen Tod seiner Frau, seine finanziellen Probleme und seine Insolvenz, bei der viele seiner Bilder weit unter Preis verkauft werden mussten. Es geht auch um die Stadtgeschichte Amsterdams in diesen Zeiten Mitte des 17. Jahrhunderts, wenige Jahre vor dem Tod Rembrandts in völliger Armut.
Und es geht hauptsächlich um die kurze , aber dramatische Lebensgeschichte des dänischen Mädchen Elsje Christiaens, die , gerade mal achtzehnjährig, ihrer Stiefschwester nach Amsterdam folgen will, und nach einer abenteuerlichen Seereise, während der sie im Packeis hängen bleibt, schlussendlich nach Amsterdam kommt, dort ein Zimmer bei einer Vermieterin erhält, während sie sich auf die Suche nach einer Stellung als Hausmädchen macht. Sie kann auch nach einer Woche ihre Miete nicht bezahlen und als sie spürt, dass ihre Vermieterin sie, so wie andere Mädchen auch, zur Prostitution verführen will, schlägt sie eines Tages diese mit einem Beil nieder und verletzt sie tödlich. Elsje wird zum Tode verurteilt, sie weigert sich zu bereuen und wird gehängt, bzw. erdrosselt.
Diese Geschichte ist in den Tagen, als sie geschieht, in Amsterdam Stadtgespräch, und auch Rembrandt erfährt von seinem Sohn davon, der der Hinrichtung so wie Tausende andere beigewohnt hat. Sie berührt den alten Maler seltsam und am Ende des Buches fährt er zu dem Ort, an dem die Leiche Elsjes aufgehängt ist und malt sie.
Zuvor erzählt Margriet de Moor meisterhaft aus dem Leben Rembrandts und Elsjes in wechselnden Perspektiven und nicht chronologisch, was dem Roman seinen eigenen, spannenden und anspruchsvollen Charakter gibt. Sie wechselt souverän die Zeitebenen und entwirft damit nicht nur ein literarisches Bild von Rembrandt, sondern auch ein kultur- und zeitgeschichtliches Porträt der Amsterdamer Gesellschaft um 1664 und den Jahren davor.
Ein schöner Roman, der nahtlos an die Qualität von „Sturmflut“ anschließt.
Margriet de Moor, Der Maler und das Mädchen, DTV 2013, ISBN 978-3-423-14190-1
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2013-03-20)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.