Von dem im deutschen diplomatischen Dienst tätigen Schriftsteller im Nebenberuf Stefan aus dem Siepen habe ich zum ersten Mal gehört und gelesen, als ich vor drei Jahren seinem außergewöhnlichen Roman "Das Seil" begegnet bin, dessen Lektüre mich nachhaltig beeindruckte. Auch der Nachfolger "Der Riese" 2014 konnte mich überzeugen.
Nun legt er ein Buch vor, das er "Das Buch der Zumutungen" nennt und in dem er in der Tradition der deutschen Kulturkritik in insgesamt 303 kurzen Betrachtungen und Anekdoten unsere moderne Existenz in den Blick nimmt. Da geht es um Phänomene des Alltags, um Fragen religiöser und weltanschaulicher Art, immer wieder um die deutsche Sprache und ihren Niedergang, um Ereignisse des Zeitgeschehens der letzten Jahre, um Kunst und Literatur und um den Sport und seine Funktion in einer Gesellschaft, die nach dem Rückgang der Religionen unter einer gähnenden metaphysischen Leere leidet.
Stefan aus dem Siepen beobachtet sehr genau und formuliert mit knapper, aber immer treffender Sprache sogenannte Zumutungen - kulturkritische Bemerkungen zwischen Ernst und Humor.
Ein kurzes, aber für das Buch typisches Beispiel:
"Gutes Deutsch. Was nur in Deutschland möglich ist: wer sich fehlerlos und gewandt ausdrückt, gilt als Sonderling. "
Mit viel Esprit und sprachlicher Eleganz zeigt er die Schatten auf und interpretiert ihre Bedeutung und Funktion.
Ein Buch, das mir viele Aha-Erlebnisse bescherte und mir über viele Wochen, die ich mit ihm verbrachte köstliche Unterhaltung bot.
Stefan aus dem Siepen, Das Buch der Zumutungen, DTV 2015, ISBN 978-3-423-28061-7
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2015-12-03)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.