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Rezensionen


 
Slavoj Zizek - Pandemie! COVID-19 erschüttert die Welt
Buchinformation

„Das Unmögliche hat bereits stattgefunden: Unsere Welt ist an ihr Ende gelangt.“

Auf das haben wir alle gewartet! Was wird wohl der allseits beliebte Popphilosoph Slavoj Žižek zum aktuellen Thema, der Pandemie, zu sagen haben? Schon im ersten Kapitel seines neuen – leider zu schmal geratenen – Buches überrascht der slowenische Denker mit einem Bibelzitat: Noli me tangere. Berühre mich nicht!

Pandemie: Chance zur Utopie oder Distopie?



Die äußerste Liebesbekundung unserer (Pandemie-)Zeit sei der Austausch mit den Augen, denn sich zu isolieren und körperliche Distanz zu wahren gehören momentan ohnehin zu den Pflichten der Solidarität mit den anderen Menschen. Gerade jetzt würde man aber auch durch die Distanzierung die wahre Bedeutung und Präsenz erfassen, die ein abwesender Mensch für einen habe. Die Hoffnung je wieder zum Normalzustand, also dem status quo ante zurückzukehren, nimmt uns Žižek schon auf den ersten Seiten. Aber genau dies birgt ja auch eine enorme Chance. Denn was geschehen ist, der Virus, ist geschehen, weil wir über unsere Verhältnisse gelebt haben. Jetzt könnten wir es besser machen oder endgültig untergehen. „Es gibt kein Zurück zur Normalität“, schreibt er. Aber wir können auch nicht mehr weitermachen wie bisher. Also ist die vermeintlich negative Antwort dialektisch gesehen sogar eine positive. Um seine Thesen zu untermauern, zitiert Žižek gerne Elaborate der Popkultur oder Filme und Science Fiction Bücher, was die Lektüre auch dieses Mal – trotz des traurigen Themas - wieder sehr unterhaltsam macht. Auch neue Wortschöpfungen kreiert der Meister, etwa den Putogan-Virus, der sich aus zwei Namen zweier bekannter Politiker zusammensetzt. Auch die beiden machen sich ihren Reim auf Covid19, aber das demokratische Europa sollte vielleicht doch noch eine andere Antwort finden?

Covid19: Eine Verabredung in Samarra?

Denn das Virus eröffnet auch Chancen, etwa über eine alternative Gesellschaft jenseits von Nationalstaaten und in Formen globaler Solidarität und Kooperation, wie er schreibt. Corona könnte das sein, was Tschernobyl für die Sowjet bedeutete: den Zusammenbruch der bisherigen Gesellschaftsform und die Transformation in eine neue, allerdings vielleicht nicht unbedingt bessere. Corona könnte die „Fünf-Punkte-Pressur-Herzexplosions-Technik“ sein, die Beatrix in Tarantino’s Kill Bill Volume 2 gegen Bill anwendet, hofft Žižek, ein Signal, dass „wir nicht in derselben Weise weitermachen können wie bisher, dass ein radikaler Wandel nötig ist“ . Oder brauchen wir noch eine weitere Katastrophe um umzudenken, frägt Žižek in Anlehnung an Fredric Jamesons These vom utopischen Potential von Science Fiction Filmen? In Anlehnung an die weltbekannte Trauer-Psychiaterin Kübler-Ross’s 5-Phasen-These des Verlusts entwickelt Žižek denn auch ein Szenario wie wir mit der momentanen Krise fertig werden könnte. Wir müssen ja nicht alle fünf Phasen durchlaufen, um zu einer (positiven) Veränderung zu kommen. Der darwinistischen Losung des Survival oft he Fittest und die damit verbundene zynische Haltung gegenüber Schwachen und Alten setzt Žižek die Idee einer neuen Form des Kommunismus entgegen. „In der Krise sind wir alle Sozialisten.“ Selbst Trump habe während der Krise laut über eine Verstaatlichung und ein universelles Grundeinkommen nachgedacht. Boris Johnson sogar den Schienenverkehr in GB re-verstaatlicht (Thatcher hatte ihn privatisiert). Manche sagen, Corona sei ohnehin nur die Generalprobe für den bevorstehenden Klimawandel und die neuen damit verbundenen Katastrophen. Mit dem arabischen Gleichnis von der Verabredung in Samarra beschließt Slavoj Žižek seine interessanten Überlegungen und Inspirationen von denen man auch diesmal gerne mehr gelesen hätte.

Zuletzt erwächst also vielleicht gerade aus dieser tödlichen Bedrohung, die Corona darstellt, die Vorstellung einer vereinten Menschheit. Die Hoffnung stirbt auch bei Žižek zuletzt.


Slavoj Žižek
Pandemie! COVID-19 erschüttert die Welt
Übersetzt von Aaron Zielinski
Reihe Passagen Thema
Reihe herausgegeben von Peter Engelmann
2020, Softcover, Aufl. 1, 208 x 122 mm, 112 Seiten
ISBN 9783709204412
Passagen Verlag
15,30 EUR

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2021-01-31)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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