Die Doppeldeutigkeit im Titelk ist durchaus beabsichtigt: „Die Bahn, die Berlin bewegt“ bedeutet die Beförderungsfunktion ebenso wie den Gemütszustand der Hauptstädter angesichts einer nie da gewesenen Sensation. Als am 22. Juni 1865 ein von Pferden gezogenes Gefährt sich auf den Weg vom Brandenburger Tor nach Charlottenburg machte, war das die Geburtsstunde der Straßenbahnen in Deutschland. Dass dieses neue Wunderwerk mehr mit einer Kutsche als mit einer Bahn zu tun hatte, tat der Freude keinen Abbruch.
Die ersten doppelseitigen Fotos, die in den Bildband hineinführen, zeigen allerdings die Berliner Straßenbahn von heute und machen damit deutlich: die Tram ist hochmodern und fester Bestandteil des Berliner Verkehrskonzepts.
Anschaulich zeigt der Band mit seinen mehr als 350 Fotos die Entwicklung der Straßenbahn und damit auch die Entwicklung Berlins. Als die „Elektrische“ die Straßen der wachsenden Metropole eroberte, war dies auch Ausdruck der sich durch die Industrialisierung verändernden Stadt. Die Straßenbahn gab gewissermaßen den Takt vor und veränderte das Leben der Menschen.
Neben den Fotos enthält der Band zum Thema passende Gemälde, etwa von Ernst Ludwig Kirchner, Otto Dix und Lesser Ury. Gedichte und Stimmen von Zeitzeugen runden den Band ab und geben ihm eine persönliche Note. Eine Zeittafel zeichnet die Entwicklung der Straßenbahn bis in die Gegenwart nach. Insgesamt bietet der Band einen fundierten und sorgfältig gemachten Überblick, dem man die Liebe der Autoren zu ihrem Gegenstand anmerkt.
Harf Zimmermann, Die Bahn, die Berlin bewegt, Nicolai 2015, ISBN 978-3-89479-945-8
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2015-10-08)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.