„Was ist die Wahrheit?“ heißt es nicht nur im Evangelium (Joh 18,38) und der französische Autor Eric-Emmanuel Schmitt geht in seiner im Jahre 2000 erschienen Romanbiographie „L‘Evangile selon Pilate“ genau dieser Frage nach und vielleicht dient gerade die Vorweihnachtszeit am besten dazu, dieser Frage auch für sich selbst nachzugehen. Wer sich die vier DVD-Sammlung noch vor dem 1. Advent kauft, dem könnte bald jeden Sonntag ein Licht aufgehen, denn nur das bringt die Wahrheit in die Dunkelheit. Die von Koch Media veröffentlichte Version liegt zum ersten Mal in der ungeschnittenen Fassung vor, für deren längere Stellen tatsächlich keine deutsche Synchronisation existiert. Diese Szenen werden aber in der Originalfassung mit deutschen Untertiteln wiedergegeben, damit die Wahrheitsfindung nicht an Sprachbarrieren scheitern soll.
Das Staraufgebot für den Superstar
Der Oscar®-Nominee Franco Zeffirelli inszeniert in „Jesus von Nazareth“ die bekannteste Geschichte der Welt in atemberaubenden Bildern mit vielen Hollywoodstars und Oscar®-Preisträgern, wie Peter Ustinov als Herodes, Ann Bancroft als Maria Magdalena oder Rod Steiger als Pontius Pilatus, Anthony Quinn als Caiaphas oder Claudia Cardinale als Ehebrecherin. Jesus selbst wird von Robert Powell gespielt, der davor – also vor 1977 - schon in „Mahler“ und der Rockoper „Tommy“ von The Who strahlte. In „Jesus von Nazareth“ muss aber niemand singen, das bleibt den Mitwirkenden von Jesus Christ Superstar, dem 1971 im Mark Hellinger Theater in New York City uraufgeführten Rock-Musical, das vom damals noch unbekannten Andrew Lloyd Webber geschrieben und von Tim Rice, der die Liedtexte in Anlehnung an die Bibelerzählungen der letzten sieben Tage Jesu schrieb, mitkomponiert wurde, vorbehalten. Sicherlich hat auch Zeffirelli dieses bahnbrechende Werk gekannt, das Jesus erstmals auch als Menschen und nicht „nur“ Gottes Sohn zeigte und darstellte.
Jesus, der erste Hippie
Auch Franco Zeffirelli hatte sich vor seinem „Jesus von Nazareth“ schon in seinem Meisterwerk „Brother Sun, Sister Moon“, das einen Hl. Franziskus zeigt, der so lebte, wie wohl auch Jesus lebte, mit der Heiligen Schrift beschäftigt. 1972 ließ er Franziskus Jesus mit den Worten zitieren: „Sehet die Vögel unter dem Himmel an, sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen und Euer himmlischer Vater nährt sie doch.“. (Matthäus 10.29-31) und zeichnete das Bild eines in Armut lebenden entrückten Sohn reicher Eltern. Eine Monumentalszene dürfte besonders in Erinnerung geblieben sein, nämlich als der in eine Kutte gekleidete, im Regen bettelnde Franziskus vor dem Heiligen Stuhl des Papstes Innozenz III. steht und dieser die Stufen herabschreitet, um Franziskus seine schmutzigen Füße zu küssen. In „Jesus von Nazareth“ verzichtet Zeffirelli zwar auf solche Monumentalszenen, dafür kommt es zu einigen Massenszenen, an denen wohl mehrere Hundert Statisten beteiligt waren.
Salomé oder die Herodiade
Johannes der Täufer, der mit Michael York genial besetzt ist, weil er nicht nur die verrückten Augen eines Kinski hat, sondern auch in seinem ganzen körperlichen Ausdruck den Messianismus und Heilsglauben geradezu eschatologisch zum Ausdruck bringt, ist aufgebracht über die „unchristliche“ Verbindung zwischen Herodes Antipas und Herodias (Mt 14,1-12 und Mk 6,14-29) und letztere will seinen Tod, weil sie um ihre Macht bangt. Salomé, die Tochter der Herodias (Valentina Cortese), Stieftochter und Nichte des Herodes Antipas (Christopher Plummer) und Enkelin Herodes des Großen (Peter Ustinov), kommt ihr dabei mit einem Rat zu Hilfe und fordert so den Kopf des Johannes. Die „Herodiade“ ist nicht nur aufgrund ihrer erotischen Spannung zwischen Stieftochter und Stiefvater oft zitiert worden und auch Zeffirelli ist sich der Ambivalenz dieser Szene natürlich bewusst, etwa wenn er Isabel Mestres in ein durchsichtiges Kleid steckt, das sehr dem Kleid auf dem berühmten Gemälde Gustave Moreaus „Salomé“ (1871) ähnelt. Die spätere Königin von Kleinarmenien mit dem Hauptort Nikopolis tanzt für Herodes Antipas wie keine andere, aber nur weil er ihr vorher versprach, ihr zu geben, was sie wolle: „Um was du mich auch bitten wirst, ich werde es dir geben bis zur Hälfte meines Reiches“ (Mk 6,23). Da es so viele Zeugen gab, mußte Herodes sein Versprechen halten und servierte ihr den Kopf des Johannes auf einem silbernen Tablett.
Wer die Heilsgeschichte noch einmal „erleben“ möchte, liegt mit der in deutscher und englischer Fassung vorliegenden Verfilmung Zeffirellis gerade im Advent genau richtig, denn „Jesus von Nazareth“ wurde unter der Regie von Franco Zeffirelli und dem Drehbuch von Anthony Burgess 1977 verfilmt und von Kochmedia in einer 386 min Version auf vier DVDs hier neu präsentiert Also eine für jeden Adventsonntag.