Eine ganz andere und neue Art der Vergangenheitsbewältigung verspricht dieser Film des dänischen Regisseurs Martin Zandvliet. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges im Mai 1945 muss ein knappes Dutzend junger Soldaten aus Deutschland die dänische Küste von Land- und Wasserminen befreien – natürlich unter Einsatz des eigenen Lebens. Kurz zuvor waren sie für den „Volkssturm“, Hitlers letztes Aufgebot, eingezogen worden, waren in dem Sinne also sicherlich keine vom Regime überzeugten Killermaschinen, sondern vielmehr selbst Opfer der Umstände und Gefangene ihres Schicksals.
Viel psychologisches Feingefühl und verve
Die Säuberung eines dänischen Nordseestrandes von 45.000 Nazi-Tretminen durch ein Dutzend deutsche Soldaten entpuppt sich als psychologisches Melodram mit viel Feingefühl und verve. Denn den „Kindersoldaten“ wurde als Preis die Freiheit verkündet, sollten sie den Strand wirklich in drei Monaten minenfrei gemacht haben. Jeder Schritt im Sand könnte aber auch der letzte sein und für einige der Gruppe ist es das auch. Das Einzige, was ihren Lebenswillen am (Über-)Leben erhält, ist die Hoffnung auf Freiheit, die ihnen auch der meisterhaft verkörperte dänische Offizier Rasmussen, der die „Expedition“ leitet, persönlich zugesichert hat. Mit bloßen Händen und ohne technische Hilfsmittel graben sie zittrig nach den Minen, zumeist sogar ohne etwas Ordentliches zu essen bekommen zu haben. Doch Rasmussen bekommt Mitleid mit ihnen, als er feststellt, dass sie eigentlich noch Jungs sind. So entwickelt sich eine psychologisch feinsinnig gezeichnete Beziehung zwischen ihm und seinen Jungs, die bald gegenseitigen Respekt zur Folge hat. Als ein paar betrunkene „Tommys“ (Ausdruck für englische Soldaten) auf einen seiner Gefangenen pinkeln und defäkieren schreitet Rasmussen energisch ein und riskiert dabei selbst Prügel einzustecken.
Bruder in Fetzen
Einer der Jungs wird dann so krank, dass er sich über eine der Minen übergibt und daraufhin prompt in die Luft fliegt. Manche Minen sind auch mit unsichtbaren Drähten verknüpft und die Warnung erreicht den Zwilllingsbruder zu spät, worauf ersterer verrückt wird und Rasmussen ihn nur mit einer Dosis Morphium beruhigen kann. Aber nicht nur mit Schmerzmitteln ist er großzügig zur Stelle, selbst das Essen muss er für seine Truppe zusammenstehlen, weil ihm die Armee für „die Deutschen“ nichts zuteilen will außer Abfällen. Entgegen den weit verbreiteten Klischees über das dänische Heldentum will der Regisseur auch zeigen, dass der Krieg sehr wohl beide Seiten verroht hat. „Ich habe mich immer gefragt, warum jede Nation und insbesondere Dänemark, wo ich lebe, immer Filme darüber macht, wie gut wir doch im Zweiten Weltkrieg alle waren. Wie sehr wir den Juden geholfen haben, nach Schweden zu fliehen, wie wir den Alliierten geholfen haben.“
500 Meter bis zur deutschen Grenze
Mit Feldwebel Rasmussen hat er freilich eine weitere Heldenlegende gestrickt, denn trotz seiner anfänglichen Härte zeigt der Däne sehr viel Einfühlungsvermögen und Handschlagqualität. Als historisch gesichert gilt, dass Hitler und sein Führungsstab damit rechneten, dass die Alliierten ihren Gegenangriff über Dänemark einleiten würden und das veranlasste ihn insgesamt 2,2 Millionen Sprengsätze am dänischen Nordseestrand zu vergraben. Dass Wiedergutmachung nichts mit Rache zu tun haben sollte, beweist dieser eindringliche Film zum Kriegsgeschehen und Frieden von 1945. Ein psychologisch raffiniert konstruiertes Melodram mit Nachhaltigkeit.
Martin Zandvliet
Unter dem Sand - Das Versprechen der Freiheit
Mit Roland Møller, Mikkel Boe Følsgard, Louis Hofmann, Joel Basman, Leon Seidel u.a.
Koch Media Home Entertainment, Drama, 101min
[*] Diese Rezension schrieb: jürgen Weber (2016-10-10)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.