„Sind es nicht die in der Liebe Glücklosen, die die Unsterblichkeit der Liebe garantieren?“, frägt sich der vom Sohn verlassene nunmehrige Vater Chuck, der Held aus Wolf Wondratscheks berühmtem Gedichtband "Chuck's Zimmer". Der inzwischen 14-jährige Sohn ist aber nicht das im Titel angesprochene Geschenk, sondern das Leben selbst, das Chuck seinem Kind zu verdanken hat, denn nur durch es, konnte er sich von seiner Drogensucht befreien. Hätte er damals, in jener Bar in München nicht dieses Mädchen angesprochen und es „ohne Umschweife“ nach seiner Telefonnummer gefragt, hätte es wohl keine Befruchtung, keine Schwangerschaft und „das Geschenk, einen Sohn zu haben“ gegeben. „Das Leben, das sich versteckt hatte, war zu ihm zurückgekehrt.“
Wondratscheks Chuck ist allerdings ein ziemlich ratloser Vater, der zwar gerne mit seinem Sohn spielt und ihm andauernd irgendwelche Geschichten erzählt, womit dieser nichts anfangen kann, aber dennoch sucht er häufig Zuflucht bei großen Autoren, Zitaten von Pessoa, Proust oder Beckett, wie z.B. diesem: „Es gibt zwei lohnende Momente beim Schreiben, den einen, wo man damit anfängt, den anderen, wo man es in den Papierkorb wirft.“ Das Leben von Chuck und das Buch über Chuck sind voll von aneinandergereihten Anekdoten über eine Generation, die zwar zu leben, aber nicht gut zu sterben wusste, denn sie seien alle viel zu früh gegangen. Entweder freiwillig aus dem Leben geschieden, oder durch übermäßigen Drogenkonsum, Selbstmord auf Raten. Neben den Drogen geht es natürlich vor allem um Frauen, von denen es „nicht nötig war mehr zu wissen, als was man mit den Augen sah“. Erst Alkohol und Mädchen, dann nur mehr Alkohol und Kokain. Chuck vergeudete wie so viele andere seiner Generation sein Leben mit Egoismus, Raubbau an der Gesundheit und der zunehmenden Verdummung, alle drei die besten Voraussetzungen für ein – laut Chucks Definition - glückliches Leben.
Die Heiterkeit eines ewig kinderlosen Junggesellen hätte Chuck als Glück eigentlich gereicht, denn er wusste damals schon, dass er der Liebe eines Vaters zu seinem Kind nicht gewachsen sein würde, „dass er dieser Liebe nicht gewachsen sein würde, dass er dieser Liebe ausgeliefert sein und sie ihn, weil sie seine Kräfte überstieg, traurig machen würde, traurig wie nichts anderes auf der Welt“. Dass die Liebe zu seinem Mädchen scheitern muss, weil sie selbst träumen will und sich nicht von seinen Träumen dominieren lassen will, zeichnet sich bald ab und so muss er wieder „mit dem Widerwillen gegen alles, was ihn abhängig gemacht und ihn fast das Leben gekostet hätte, an die Schreibmaschine zurückkehren“. Chuck ist zumindest von den Drogen geheilt, von der Liebe lässt er sich nicht heilen: „Er wollte das eigene Leben, nicht das Leben anderer retten, wenn er sich verliebte, und verliebt war er, das Laster so vieler Schriftsteller, mehr in das Träumen von der Liebe, als in die geliebte Geliebte. Lieber als zu lieben, schrieb er Liebesgedichte.“
Wolf Wondratscheks neuer Roman oszilliert zwischen Wut über die eigene Auflösung und Trauer über das Geschehene, macht sich die eigene Unzufriedenheit zu Nutze, um am Schreibtisch auf Touren zu kommen, denn das sei immer noch das bessere Benzin, wie Chuck es ausdrückt, als glücklich zu sein. „Das Geschenk“ ist ein inspirierender Zitatenschatz, auch für die eigene Sammlung, die Handlung spielt gar nicht so eine große Rolle, denn das größte Geschenk ist sowieso die eigene Phantasie und was daraus erwächst.