Der amerikanische Autor Thomas Wolfe wurde nur 38 Jahre alt. Geboren 1900 in Asheville, North Carolina, starb er bereits 1938 in New York City, wohin es ihn früh trieb. Wolfe gehörte zu der Gruppe der Erneuerer, die im Chelsea Hotel lebten und Zeugen der größten Krise der USA durch den Börsenkrach 1929 wurden. Wolfe kannte New York City als Ort der Befreiung von der provinziellen Enge, erkannte aber auch die Brüchigkeit der Fassade und die Abgründe jenseits der großen Kulissen. Der Roman You Can´t Go Home Again trägt zahlreiche autobiographische Züge, gehört aber zu Wolfes unvollendeten Projekten und erschien post mortem 1940. Zahlreiche Passagen vermitteln den Eindruck von Basismaterial, das Wolfe nicht mehr in die Textur des Romans mit eigener Hand einfügen konnte. You Can´t Go Home Again ist ein kolossales Kompendium eines groß angelegten Romans.
Zentrale Figur ist der junge, aus den Südstaaten stammende Schriftsteller George Webber, dem es mit Hilfe seiner verheirateten Geliebten und zum Establishment gehörenden Esther Jack gelingt, einen Verlag für seinen Erstlingsroman zu finden. Thema des Romans ist das Leben und die Figuren seiner Heimatstadt, die schonungslos in ihren Sozialbeziehungen dargestellt werden. Zum Entsetzen des naiven Schriftstellers Webber sind die Reaktionen aus seiner Heimat harsch und bedrohlich und er findet heraus, dass er besser nicht noch einmal dorthin zurückkehrt. Auf einer letzten Reise dorthin, kurz vor der Veröffentlichung des Romans, entdeckt er die Veränderungen, die aber nicht zum Besseren geführt haben. Auch dort herrscht das Spekulationsfieber, der Rausch, der zu unseriösen Geschäften führt. So ist es kein Wunder, das parallel zum New Yorker Börsenkrach auch in seiner Heimat der Crash kommt, die Selbstmorde der Ruinierten zur Unzahl werden und die Malaise kaum noch zu beschreiben ist.
George Webber zieht eigene Konsequenzen. Er trennt sich von der etablierten Freundin und begibt sich unter die Underdogs in Brooklyn, wo er Jahre lebt und wie ein Eremit an seinem zweiten Roman schreibt. Er studiert die Lebensverhältnisse der Menschen seines Umfeldes und will dem Phänomen näher kommen, wie sich der amerikanische Mythos aus dem täglichen Brot der Verdammten nährt. Es ist ein schreckliches Unterfangen, Webber sieht Amerika auf dem falschen Weg, aber er begreift auch, dass die Potenziale für die Zukunft gerade dort zu suchen sind, wo das Licht dünn und die Portemonnaies leer sind. Als Webber seinen zweiten Roman nach sechs Jahren veröffentlichen will, begibt er sich außer Landes, um abermals vor bösen Überraschungen geschützt zu sein. Auf Reisen nach London, Berlin und Paris erlebt er die Versnobung der englischen Eliten, die Saat des gegenseitigen Misstrauens in einem totalitären Deutschland und die eitle Dekadenz in einem krisenhaften Frankreich. Währenddessen wird sein Roman in den heimatlichen USA zustimmend und nachdenklich aufgenommen, was er als ein Indiz für die positiven Perspektiven des jungen Amerika sieht. Wolfes Roman ist eine Hommage an die Skepsis und den Zweifel, im individuellen wie im makrokosmischen Sinne, jedoch nie ohne den Verweis auf die Notwendigkeit des Neubeginns, denn ein Zurück, das gibt es nie.
[*] Diese Rezension schrieb: Gerhard Mersmann (2009-09-17)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.