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Rezensionen


 
Uwe Wittstock - Marseille 1940. Die große Flucht der Literatur
Buchinformation

"Ich lasse den letzten Zipfel von Europa nicht aus meiner Hand", meinte Franz Werfel angesichts seiner Flucht. Der Schriftsteller und Journalist Uwe Wittstock führt mit seinem Buch über die "Flucht der Literatur" die Bestenliste von BuchMarkt/Die Welt/WDR 5/N.Z.Z./ORF-Radio Ö 1: März 2024 Platz 1 an. "Marseille 1940" erschien im Februar dieses Jahres und ist schon vor der ersten Jahreshälfte in der 7. Auflage.

Flucht der Literatur 1940

Das Thema Flucht ist aktueller als je, vielleicht mag das auch Teil des Erfolges von Wittstocks Zeitgeschichte-Bestsellers sein. Vor gut 84 Jahren marschierte die deutsche Wehrmacht in Frankreich ein und hatte Frankreich in einem sog. "Blitzkrieg" besiegt. Das heißt, nicht ganz Frankreich, denn im Süden hatte sich das sog. Pétain-Regime etabliert, das auch gerne mit dem Ort Vichy, einem kleinen Kurort in der Auvergne, der Regierungssitz des Staatschefs war, bezeichnet. Die Deutschen hielten Mitte 1940 den Norden, 60 Prozent des Landes, besetzt, die restlichen 40 Prozent wurden zum Zufluchtsort für Exulanten und Hitler-Gegner. Aber nicht etwa, dass Marschall Pétain ein Demokrat oder Liberaler gewesen wäre, ganz im Gegenteil. Die von ihm etablierte Herrschaft im Süden Frankreichs war autoritär und von faschistischen Ideen durchsetzt, wie auch der Autor betont. Das bedeutete sowohl für Flüchtlinge als auch andere Internierte ein hartes Leben am Rande der Existenzbedrohung. Eines dieser Lager lag in Gurs, am Rand der Pyrenäen, an der Grenze zu Spanien und dem besetzten Teil Frankreichs. Uwe Wittstock konzentriert sich auf die Fluchten zwischen Mai 1940 und August 1941, weil dieser Zeitraum sich auf des Wirken des US-Bürgers Varian Fry bezieht, dessen Einsatz für die deutsche Exilliteratur nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Auch wenn er im deutschsprachigen Raum weitgehend unbekannt ist, genießt er in seinem Heimatland weit mehr Anerkennung, die ihm auch durch drei Biographien zuteil wurde.

Gegen allen Widerstand

Varian Fry, der von der ERC (Emergency Rescue Committee) nach Marseille gesandt wurde, rettete wohl mehr als 2200 Menschen das Leben. Dabei zählten aber nicht nur die Gestapo oder das Vichy-Regime zu seinen Gegnern, sondern auch das eigene Außenministerium. Dieses hatte geargwöhnt Fry würde vorrangig linke Juden retten. Das lag nicht im Interesse der USA, da diese durch die Wirtschaftskrise selbst nicht sehr stabil war. Jedoch besaß Fry Kontakte zur Gattin des in seine dritte Amtszeit gewählten amerikanischen Präsidenten Roosevelt, Eleanor. Cordell Hill, der AM in jener Zeit, wehrte sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen, aus Gründen der nationalen Sicherheit, wie Wittstock schreibt. Die politisch aktiven europäischen Intellektuellen ins Land zu holen (die zumeist sozialistischen oder kommunistischen Parteien angehörten) hielt Hill für schlichtweg politisch unverantwortlich. Abgesehen von dem eingangs schon erwähnten Franz Werfel und seiner Frau Alma Mahler-Werfel half Varian Fry u.a. auch den Manns, André Breton, Marc Chagall, Marcel Duchamp, Lion Feuchtwanger, Victor Serge und vielen anderen Verfolgten, deren Schicksale bis heute leider unerzählt blieben. So gesehen ist "Marseille 1940. Die große Flucht der Literatur" auch als ein Meilenstein zu sehen, ein erster Schritt diese Erzählung fortzusetzen. Wie die Bestsellerlisten beweisen ist dies eine Aufgabe, die auch vom Lesepublikum belohnt wird. Im Anhang befindet sich auch ein Personenregister mit Kurzbiographien sowie im Text verteilt auch einige Schwarz/Weiß Fotografien. Wittstock war auch Literaturredakteur für die FAZ, Lektor bei S. Fischer und hat als stellvertretender Feuilletonchef und Kulturkorrespondent für die Welt gearbeitet. Er wurde bereits 1989 mit dem Theodor-Wolff-Preis für Journalismus ausgezeichnet.


Uwe Wittstock
Marseille 1940. Die große Flucht der Literatur
2024, Hardcover, 351 S., mit 28 Abbildungen und 2 Karten
ISBN: 978-3-406-81490-7
Auch als Hörbuch (DAV) lieferbar
C.H. Beck Verlag

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2024-05-17)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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