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Johannes Willms - Tugend und Terror. Die Geschichte der Französischen Revolution
Buchinformation
Willms, Johannes - Tugend und Terror. Die Geschichte der Französischen Revolution bestellen
Willms, Johannes:
Tugend und Terror. Die
Geschichte der
Französischen
Revolution

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(Bücher frei Haus)

„Ohne die Tugend ist der Terror verderblich, und ohne Terror ist die Tugend ohmächtig. Der Terror ist nichts anderes als die rasche, strenge und unbeirrbare Justiz. Der Terror ist damit ein Ausfluss der Tugend.“, so der gelernte Rechtsanwalt Maximilien Robespierre am Höhepunkt seiner Macht, als es ihm gelang, seinen größten Konkurrenten, Georges Danton aus dem Weg zu räumen und auch die restliche Opposition auf’s Schafott zu bringen. Saint-Just, Robespierres Schatten, hatte im Konvent und Wohlfahrtsausschuss immer wieder vor Fraktionierungen gewarnt, denn das Land befand sich nicht nur in einem Bürgerkrieg in der Vendée und anderen Landesteilen, sondern auch im Koalitionskrieg mit den angrenzenden Monarchien, die das erste Beispiel einer Republik in Kontinentaleuropa noch vor seiner Konstituierung ausmerzen wollten.

Despotismus der Freiheit
Auch wenn Willms die Gefahr einer ausländischen Intervention herunterspielt, da zu diesem Zeitpunkt für die europäischen Monarchien die Teilung Polens sehr viel interessanter gewesen sei, befanden sich die Jakobiner doch in einer Zwickmühle, denn sie mussten die Errungenschaften der Revolution dadurch sichern, dass sie selbst zu Despoten des Terrors wurden. Robespierre nannte die Terreur: „Der Despotismus der Freiheit gegen die Tyrannei“ und wollte damit vielleicht doch nur seine eigene Herrschaft errichten und mit seinem Kult des höchsten Wesens gleichzeitig für eine Identifikation des Volkes mit der nunmehr religiös verbrämten Revolution sorgen. War Robespierre, der Jakobiner, vielleicht so etwas wie ein religiöser Fanatiker, der – nach heutiger Lesart – fanatisch den Kult des höchsten Wesens („L`etre Supreme“) gegen die Ungläubigen mit dem Terror des blank blitzenden Fallbeils als Schwert der Gerechtigkeit und Gottes verteidigte? Auffallend viele Rechtsanwälte spielten eine Rolle in der Revolution und im Konvent. Auch George Danton oder Robespierre`s bester Jugendfreund, Camille Desmoulins, waren ihrer Ausbildung nach Rechtsanwälte. Der revolutionäre Fanatiker und Asket Robespierre opferte sie beide: für das Fortbestehen der Republik.

Eine solidere Tugend als Robespierres
„Es gibt keine solidere Tugend als diejenige, die ich jede Nacht gegenüber meiner Frau anwende“, spottete Danton Robespierre ins Gesicht. Aber bald sah auch er es ein: „Meine Wohnung wird bald das Nichts sein; was meinen Namen anbelangt, wird man ihn im Pantheon der Geschichte lesen“, soll Danton bei seiner Gerichtsverhandlung zu Protokoll gegeben haben. Bald darauf wurde er aber von seiner eigenen Verhandlung ausgeschlossen und die Aufrufung von Zeugen untersagt, sowie die Tätigkeit von Verteidigern untersagt. Der Wohlfahrtsausschuss, den Danton selbst miterrichtet hatte, hatte dies ohnehin auch bei weniger prominenten Angeklagten stets so gehandhabt. So wie Danton vielen auch andere oft nur wegen ihrer Standeszugehörigkeit der Terreur zum Opfer. Das „Rasiermesser der Gleichheit“ wie Willms es gehört haben will machte alle gleich. „Kein Bürger hat die Gewissheit, in zwei Tagen noch am Leben zu sein“, so ein Zeitzeuge, den Willms zitiert.

“La Terreur de la Jeunesse dorée“
„Die Terreur war also gleichsam ein erfolgreiches Revolutions-Marketing, das es den Führern des Umsturzes erlaubte, die kollektive Hysterie permanenter Bedrohung stets wachzuhalten“, schreibt Willms und wie man es von anderen autoritären Regimen kennt ist ein Klima der ständigen Angst der beste Garant für den Fortbestand der bestehenden Ordnung. Aber nach dem Morgengrauen kroch wieder die „Reaktion“ aus ihren Löchern und selbst die Jakobiner und Sansculotten, die einstigen Helden der Revolution, wurden verspottet und verprügelt. Nach dem 9. Thermidor (Sturz Robespierres) organisierten sich Schlägertrupps, die sogenannte Jeunesse dorée Kaiser (goldene Jugend), die es aufgrund ihrer handeltreibenden Bürgerväter zu etwas Reichtum gebracht hatten, und machten Jagd auf die Jakobiner und ihre politischen Clubs. „Ihr Äußeres vervollständigten weiche, spitz zulaufende Stiefel, sowie ein derber Knotenstock, den sie in ihrem Jargon als die `Exekutivgewalt´ bezeichneten und mit dem sie auf `Terroristenjagd´ gingen“, so Willms. Diese Muscadins – wie man sie auch nannte – krochen nach dem 9. Thermidor wieder aus ihren vergoldeten Käfigen und bestimmten nach Sansculotten nunmehr den politischen Diskurs. „Auf die von Robespierre propagierte Herrschaft egalitärer Tugend folgte nun nach dieser Lesart die Etablierung einer von Ausschweifung und Sittenverfall gekennzeichneten bürgerlichen Klassenherrschaft, die sich anschickte, die vermeintlich demokratischen und sozialen Errungenschaften der jakobinischen Revolution rückgängig zu machen“, so Willms treffend. Natürlich ist dies nur einer von vielen Aspekten, der Napoleon möglich machte, denn der Kretin sollte sich nach zwei Staatsstreichen (1795/99) anschicken die Revolution eigenmächtig zu beenden und sich 1804 sogar zum Kaiser zu krönen.
Johannes Willms lässt Akteure zu Wort kommen und schildert die Motive und Kräfte, die Themen und Diskurse der Revolution auf nachvollziehbare Art und Weise. Er hat auch zwei Standardwerke zu Napoleon und Talleyrand verfasst und arbeitet als Journalist für die Süddeutsche Zeitung.

Johannes Willms
Tugend und Terror
Die Geschichte der Französischen Revolution
C.H. Beck

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2015-10-01)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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