„Ich verachte jene, denen ich trauen kann und liebe die am meisten, die mich am ehesten verraten würden“, schrieb Julius Cäsar an seinen Adoptivsohn Gaius Octavianus – besser bekannt als Augustus - in Apollonia, Rom 44 v.Chr., laut John Williams, der seinen Augustus-Roman als Briefroman angelegt hat. Der Autor hat zwar die Reihenfolge einiger Ereignisse verändert, wie er im Vorwort erwähnt, und auch „erfunden, wo Berichte unvollständig oder ungewiss waren“, aber sich ansonsten an historisches Material gehalten, wobei er auch einigen Personen über die wenig bekannt ist oder „die die Geschichte zu erwähnen vergaß“ eine Identität verliehen. Sein Roman ist eigentlich ein in Briefen abgehandeltes Werk über den ersten Kaiser des Imperium Romanum, denn der Name „Augustus“ ist eigentlich ein Ehrentitel, der „der Erhabene, Hochheilige, Ehrwürdige“ bedeutet und auf die hohe Kunst des Vogelflug- und Innereienlesens zurückgeht, das sog. „augurium“. Von diesem Ausdruck leiten sich natürlich auch die Auguren ab, die mit dieser Kunst vertraut waren und vermeintlich die Zukunft und das Schicksal eines Menschen daraus abzulesen vermochten. Der eigentliche Name des Trägers des Ehrentitels lautete Gaius Octavius und als solcher war er auch Adoptivsohn und Großneffe von Gaius Julius Cäsar, dessen Erbe er nach dessen Ermordung antrat.
Treffen der Titanen
Aber zuerst musste er noch Markus Antonius beseitigen, ein enger Vertrauter Cäsars, der mit der ägyptischen Pharaonin ein Tete a Tete hatte. Nach dem Bürgerkrieg von Cäsars Anhängern und seinen Attentätern bekämpften sich die beiden ehemals Verbündeten, Oktavius und Markus Antonius nämlich ebenfalls und die größte Schlacht (Aktium - in Vergils Aeneis als „Treffen der Titanen“ bezeichet) zwischen den beiden wurde von Historikern gerne zur schicksalshaften und bedeutenden Begegnung zwischen Ost und West stilisiert: Markus Antonius kämpfte nämlich mit Hilfe Ägyptens und seiner Verbündeten gegen Oktavians Legionen. „Octavius ließ seine Armee einige Meilen außerhalb von Rom lagern, betrat die Stadt nur mit einer kleinen Schar Männer zu seinem eigenen persönlichen Schutz und bot dem Senat und dem Volk seine Dienste gegen Antonius an, da bekannt war, dass dieser auf Rom zumarschierte und niemand mit Gewissheit sagen konnte, was er im Schilde führte“ , schreibt Gaius Cilnius Maecenas an Titus Livius 13 v. Chr. Schon seit vierzig Jahren hätten die Römer keine bewaffneten Soldaten innerhalb der Stadtmauern gesehen, damals ging es um Marius und Sulla, die die Diktatur an sich reißen und die Republik zerstören wollten. Besonders die Doppelrolle die Markus Antonius damals einnahm wird von Williams thematisiert, denn dieser vermeintliche Freund Cäsars verkehrte mit seinen Mördern, so Marcus Agrippa.
Adoptivsohn und Erbe Cäsars
Der Bürgerkrieg sollte noch bis 31 v. Chr. andauern, aber Octavius setzte sich durch und machte sich zum ersten Kaiser des Imperium Romanums. Klein, schwach, kränklich und blond mit lockigem Bart, ungepflegt und Zahnlücken soll er gehabt haben. Durch seine Mutter Atia war er Großneffe Cäsars und auch dessen Adoptivsohn und Erbe. Augustus, der Erhabene, Ehrwürdige und Hochheilige meinte wahrte den äußeren Schein der legalen Eroberung peinlich genau – wie die meisten Diktatoren in der Geschichte. Die Gesamtfläche der römischen Provinzen verdoppelten sich unter Augustus, auch wenn er gegen die Germanen eine schmerzliche Niederlage hinnehmen musste: „Varus, Varus!“ soll er nach der Schlacht vom Teutoburger Wald (9 n. Chr.) gerufen haben, „Gib mir meine Legionen zurück!“ Dafür gilt er als „Erfinder der Tradition“ und setzte auch seine Sittengesetzgebung durch. Kein Wunder, denn seine Tochter Julia soll sich öffentlich angeboten haben.
Gottkaiser Augustus in Briefen
Überwiegend fiktive Briefe und Notizen, Erinnerungen und Senatsprotokolle fasst Williams zusammen, um einen Einblick in das Leben des ersten römischen Kaisers zu gewähren und es möglichst authentisch erscheinen zu lassen. Die Person eines Herrschers, der sich zum Gott erheben ließ, wird in Williams’ historisch-biographischem Roman zu einem Kaleidoskop des Menschseins und -werdens unter erschwerten Bedingungen.
John Williams
Augustus
Roman
2016, dtv Verlag, hardcover, 474 Seiten
ISBN: 978-3-423-28089-1
24,00 €
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2017-05-20)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.