Roger Willemsen, umfassend gebildeter Schöngeist, ehemaliger Talk Master, sprachlich versiert wie kaum ein zweiter Gesprächspartner oder Autor, einer der letzten wirklichen Intelektuellen, nutzt zwei seiner hervorstechendsten Talente und legt ein tiefreichendes, im Wortsinn ihn und den Leser bewegendes Buch vor, dass zu lesen von der ersten bis zu letzten Seite eine Freude und ein Gewinn ist.
Sein sprachliches Vermögen des geschliffenen und das Gemeinte präzise benennenden Stils und sein außerordentlich tiefreichendes Beobachtungstalent vermögen es gemeinsam, die Orte seiner Reise und die dahinter liegende, universal erlebbare, Befindlichkeit der modernen Welt in betrachtender Tiefe vor Augen zu führen.
Roger Willemsen hat sich oft auf Reisen begeben in den letzten Jahren. Nicht immer zu irgendeinem Ort, nicht zur reinen Entspannung, seine unstillbare Neugier hat ihn aufbrechen lassen zu den Orten, an denen er das Ende der Welt im wörtlichen wie im übertragen Sinne vermutet. Er, der letztlich ein Lebensreisender ist. Und er hat tatsächlich solche Orte gefunden, geographisch, aber auch, und das vor allem, innerlich, seelisch, mental.
Schon die ersten Zeilen sind Programm für das ganze Buch.
In der Eifel sucht (und findet) Willemsen die Glücklichen. Wer das ist? Jene, die keinen wirklichen, festgezurrten Ort ihr Eigen nennen, jene, die wegstreben. Rastlose, so wie er, sesshafte im Aufbruch.
Schon zu Beginn des sprachlich hoch anspruchsvollen Buches legt Willemsen damit auch sich selbst ein stückweit offen, vermischt seine innere Grundbefindlichkeit mit der jener Orte, die er durch den Blick des Rastlosen und Neugierigen betrachtet und dabei in Winkel schaut, die dem oberflächlichen Besucher gar nicht begegnen würden. Reisen,
Aufbrechen, Neugierig sein und die Neugier zu befriedigen suchen, innerlich wie äußerlich, das ist letztendlich das große Thema dieses Buches und sicherlich auch das ureigenste Thema und Wesen von Roger Willemsen.
Und so nimmt er den Leser mit auf seine Reisen von der Eifel, wo er im Gespräch bereits die Fantasie reisen in die Ferne schweifen lässt, nach Gibralter, zum Himalaja, nach Minsk, Hongkong, hin zu einer Vielzahl bekannte rund unbekannter Orte, bis letztlich tatsächlich an eines der geographischen Ende der Welt (zugleich auch ein geographischer Anfang der Welt), den Nordpol.
Nicht in Form eines Reiseführers gestaltet Willemsen hierbei die einzelnen Berichte seiner Reisen und Reiseetappen (obwohl vielfache Informationen über die Orte der Reisen an sich vermittelt werden), sondern in Form mal stiller, mal lauter Betrachtungen aus der Innenschau des Autors heraus.
Im Blick auf den Nordpol, der letzten, Reisebeschreibung des Buches findet sich wiederum alles noch einmal wieder, was das ganze Buch letztlich ausmacht.
Lakonische Betrachtungen der Reiseumstände in und durch Russland, eine je genaue und auf den Punkt treffende Skizzierung der Mitreisenden und der Begegnenden, in denen immer fühlbar ganze Welthaltungen der verschiedenen Menschen mitschwingen und stille, sinnierende Betrachtungen der Gattung Mensch in dieser Welt, von denen jeder sicherlich ebenso wie die Reisenden eine ganz eigene, andere Arktis erleben würde, auch wenn alle auf dem gleichen Schiff sitzen.
In seiner betrachtenden Aufzählung der verschiedenen inneren Haltungen allein dieser Reise gegenüber gelingen ihm fast universale Charakterisierungen von Haltungen und Handlungsweisen.
Sprachlich anspruchsvoll, auf den Punkt bringend und teils fast poetisch beschreibend legt der besonnen, rational analytische Roger Willemsen einen persönlich gefärbten, immer aber auch intellektuell reflektierten Blick auf unsere Welt dar, der Seite für Seite in seinen Sog zieht und, in bester Weise, die eigene Haltung sich und dieser Welt gegenüber einer gründlichen Reflektion zuzuführen vermag.
[*] Diese Rezension schrieb: Michael Lehmann-Pape (2010-09-24)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.