Die Fortsetzung des Erfolgsfilmes „Der Himmel über Berlin“ dreht sich um den Engel Cassiel, der - wie durch ein Wunder - selbst zum Menschen wird. Als „Karl Engel“ wandert er durch die Straßen des wiedervereinigten Berlins. Wim Wenders 1993 und jetzt, 2019, zum bald 75. Geburtstag des Regisseurs bei Studiocanal digitally remastered erschiener Film ist eine Liebeserklärung an die deutsche Hauptstadt der Wendejahre.
Baustelle Berllin
Die Gastauftritte von Michail Gorbatschow, Heinz Rühmann, Lou Reed und Peter Falk, aber auch die Außenaufnahmen der „Baustelle Berlin“ machen „In weiter Ferne, so nah! / DIGITAL REMASTERED“ zu einem beeindruckenden historischen Zeitdokument, denn das Berlin, das Wenders damals - nur wenige Jahre nach der Wende - abfilmte, gibt es heute nicht mehr. Erst nach Ende der Dreharbeiten wurde Berlin übrigens Haupstadt. (Der Beschluss stammte zwar aus dem Jahr 1991, aber erst 1999 wurde der Umzug des Parlaments etc. abgeschlossen.) Das Berlin zur Wendezeit und davor war ein Tummelplatz der Experimentierfreude und des Umbruchs. Eine Stadt voller Möglichkeiten und vielleicht auch deswegen ein guter Ort für Engel. „Mit den Augen sehen/Mit den Ohren hören/Mit dem Herzen verstehen“ ist das Motto der Engel, aber für die Menschen gilt die Regel des Golden Age of Harmony: „Time is money. No time is the abscence of money“. Stets einen Schritt hinter Cassiel sind auch die beiden Engelkollegen Emit Flesti (Ananym für „Time itself“) und Raphaela.
“Why can’t I be good?“
Als Cassiel sieht, wie ein kleines Mädchen vom Hochhaus stürzt, fängt er das Kind auf und wird dadurch – also durch diese gute Tat - selbst zum Menschen. Der nunmehrige „Mensch Karl Engel“, der mit seinen Gedanken über die Zeit (durch die Ruinen Berlins spaziert und in ein Konzert von Lou Reed gerät, der gerade seinen Song
„Why can’t I be good“ performt. „Maseltov“ wünscht sich gewisser Peter Patzke in einer Pokerrunde mit Tony Baker, dem neuen Arbeitgeber von „Charlie“, wie er nun genannt wird. Aber als Baker später in Betonschuhen landet, will Cassiel-Charlie dann doch einen anderen Job und singt auch die zweite Strophe von Lou Reeds Song schon auswendig: „Why can’t i be good and make something of this life“. Als Raphaela (Nastassja Kinski), ein anderer Engel und Emit Flesti (Willem Dafoe) auf dem Brandenburger Tor sitzen und über die Stadt schauen, spricht Cassiel .„Es gab eine Zeit als wir die einzige Stimme waren, aber heute werden unter den Menschen lauter Lügen verbreitet.“ Nicht macht mehr Sinn als Mensch auf der Erde, weil keiner mehr auf sein Herz hört. „In weiter Ferne, so nah“ ist ein Weihnachtsmärchen, das besonders durch seine nachdenklichen Momente überzeugt.
Wim Wenders
In weiter Ferne, so nah! / DIGITAL REMASTERED
DVD, Originaltitel: In weiter Ferne, so nah! (Drama, Deutschland 1993/2019), ca. 140 Minuten
FSK 6
Als Einzeltitel/in einer Box Erhältlich: Best of Wim Wenders
Extras: Making of, Interviews, Audiokommentar von Wim Wenders, Wendecover
Mit Otto Sander (Der Mann im Pyjama, Nikolaikirche, Sass), Bruno Ganz (Der Himmel über Berlin, Luther, Der Untergang), Horst Buchholz (Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull, Eins, zwei, drei, Das Leben ist schön), Nastassja Kinski (Paris, Texas, Harem, Das Hotel New Hampshire), Willem Dafoe (Control, Platoon, Wild at Heart)
EAN 4006680091983
Studiocanal
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2019-12-17)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.