Ein Science Fiction Roadmovie im Director's Cut quer um den Erdball erwartet die Konsumenten dieses Mammutwerks aus dem Frühwerk Wim Wenders’. Die erste Einstellung auf einer Gondel in Venedig leitet quasi nahtlos nach Paris, Berlin, Lissabon, Moskau, Tokyo, San Franciso und Sydney über. Der Soundtrack dazu schrieb Geschichte.
Roadmovie durch die Neunziger
Der Film spielt im Jahre 1999, einer undefinierten Zukunft, in der es noch keine richtigen Handys, aber Polizisten auf futuristischen Motorrädern und riesige Festtelefone mit Bildschirmen gibt. Der Plot ist ebenso verwegen, wie die steten Sprünge der Handlung und der Handlungsorte: Die junge Französin Claire Tourneur ist in den Fremden Trevor McPhee, der auf einer mysteriösen Mission rund um die Welt reist, verliebt. Mit Hilfe des Detektivs Phillip Winter verfolgt sie Trevors Spur. Dabei wird sie selbst wiederum von ihrem Ex-Freund verfolgt, der immer noch in sie verliebt ist und sie zurückhaben möchte. Zu allem Übel ist aber auch der US-Geheimdienst Trevor auf den Fersen, um an die unglaubliche Erfindung seines Vaters zu gelangen. Die Erfindung – soviel darf hier verraten werden – ist eine virtuelle Brille, die Blinde das sehen lässt, was zuvor von Sehenden darauf aufgezeichnet wurde. Trevor will auf diese Weise seiner Mutter wieder das Sehen ermöglichen. Allerdings kommt es an der einen oder anderen Stelle auch zu Regiefehlern, etwa wenn die Reisenden auf einem Highway von einem amerikanischen Polizisten aufgehalten werden und aus dem Auto aussteigen. In der Realität würde jeder Cop in so einer Situation schießen.
Ein Film über das „Sehen“
Die Geschichte hinter der Geschichte ist natürlich cineastisch bombastisch. Denn auch im Kino geht es schließlich um’s Sehen, das wirkliche Sehen, Dinge sichtbar zu machen, die ansonsten nicht auffallen. Und so wird die Geschichte um die Brille bald um eine Geschichte über das Kino, frei nach der Theorie des mis en abyme. Die Drehorte – etwa das barocke Schlafzimmer – sind wohlfeil gewählt und ästhetisch absolut einwandfrei. Der Erzähler erklärt, dass Claire so nicht mehr weiterleben kann: 2 monate partydrogen, das sit auch für die junge Französin zu viel. „Zuhause ist da wenn man nirgendswoanders mehr hin kann“, soll Elvis costello einmal gesagt haben und für Claire bedeutet das: die Welt. Sie reist Trevor nach und weiß doch, dass sie eigentlich sich selbst sucht. Wim Wenders Referenzen an die Kunstgeschichte - etwa die Frau mit dem gelben Kleid und blauen Kopftuch (Jan Vermeer: Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge, 1665) - oder die Autofahrten durch die Wüste erzeugen eine besondere Atmosphäre, die gerade im Director’s Cut voll zur Geltung kommt. „Bis ans Ende der Welt“ besticht durch seine Farben, seinen Soundtrack und auch das Lebensgefühl der Neunziger.
Wim Wenders
BIS ANS ENDE DER WELT / DIRECTOR'S CUT / BLU-RAY / SPECIAL EDITION
Blu-ray Schuber 2er
Originaltitel: Bis ans Ende der Welt (Drama, Abenteuer, Sci-Fi, Australien / Deutschland / Frankreich 1991), ca. 287 Minuten
FSK 12, Als EST seit 27.02.13
EXTRAS: Interview mit Wim Wenders über den Soundtrack, Geschnittene Szenen, Wim Wenders - Befragt von Roger Willemsen, Trailer, Booklet
Mit Solveig Dommartin (Der Himmel über Berlin, Ich bin dir verfallen), William Hurt (Smoke, Sunshine - Ein Hauch von Sonnenschein, The Village - Das Dorf), Max von Sydow (Die drei Tage des Condor, Minority Report), Sam Neill (Jurassic Park, Der Pferdepflüsterer, Das Piano)
ASIN: B07YMMTS5N
Studiocanal
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2019-12-03)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.