„Hard Land“ ist nicht nur ein Roman über eine Liebesgeschichte, sondern auch ein Kochrezept für das Schreiben guter Bücher. Der 1984er Jahrgang, der die Geschichte von Sam und Kirstie aus Grady im Jahre 1985 erfindet, ist ein Meister in der Tradition von Scheherezade, der sich besonders gut auf die Konstruktion von mis en abyme versteht. Denn das kann bekanntlich Leben retten.
Sam’s Coming of Age in Grady
Im Missouri Mitte der Achtziger in einer Kleinstadt aufzuwachsen fällt nicht nur dem fünfzehnjährigen Sam schwer. Auch seine durchgängig älteren Freunde wollen alle nichts wie weg aus Grady, aber für einen letzten Sommer finden sie sich noch einmal zusammen und Sam weiß, dass er am Ende alleine zurückbleiben wird. Und auch ohne das Kino Metropolis, Sams prekärer Arbeitsplatz, das zum Treffpunkt der Jugendfreunde wird. So ist „Hard Land“ natürlich auch ein Roman über die Freundschaft und den Abschied, einerseits vom Nest, der Heimat, aber andererseits auch von seiner Jugend. Dies verarbeitete ein Heimatdichter Gradys, Morris, einst in einem epischen Gedicht namens „Hard Land“, das stellenweise von Sam rezitiert wird und ebenso eine eigene Handlung bekommt, resp. die bevorstehende vorwegnimmt (mis en abyme) wie das Coming of Age Sams (auch Adoleszenz genannt). Erschwerend zu den frühpubertären Problemen der erste (unerwiderten) Liebe kommt aber auch die Krankheit von seiner Mutter hinzu. Sie hat Krebs im Endstadion.
Erzählkunst vom Feinsten: Scheherezade
Manches in „Hard Land“ passt so gut zusammen, dass man bezweifelt, dass diese Geschichte nicht konstruiert wurde, aber das Geniale an Benedict Wells‘ Schreibstil, ist, dass er dies auch selbst verrät (sein letztes Kapitel heißt denn auch „Pointe“) und so gleichzeitig die Anleitung gibt, wie man selbst einen Roman schreiben könnte: „Exposition, Komplikation, Peripetie, Retardation und Katharsis“, schreibt Wells in seinem letzten Kapitel, seien nicht nur der Kniff von Morris, die fünf Teile seines Gedichtzyklus aufzubauen, sondern das Gedicht selbst ist gleichzeitig auch die geheime Botschaft des Romans. Wie genial Benedict Wells am Ende seine eigene Pointe aufgehen lässt und so mehrere Fäden seiner Erzählung auf einzigartige Weise wieder zusammenführt ist einmalig und kann sich durchaus mit der Erzählkunst der eingangs erwähnten Scheherezade messen. Nebenbei erfährt man aber auch noch viel über die Kultur der Achtziger, deren Musik und Filme. Und natürlich ganz viel über die mysteriösen 49 Geheimnisse von Grady.
Eine Hommage an die Kleinstadt und den Abschied von Freunden. Aber auch an die erste große Liebe.
Benedict Wells
Hard Land
Hardcover Leinen
352 Seiten
ISBN: 978-3-257-07148-1
€ (D) 24.00 / sFr 32.00 / € (A) 24.70
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2021-03-09)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.