Mit seinem „Herrn Karl“ wurde der leider schon verstorbene österreichische Kabarettist Helmut Qualtinger „weltberühmt in Österreich“, wie er wohl selbst eilig hinzufügen würde. Die bitterböse Satire auf den österreichischen Durchschnittsmenschen und ewigen Mitläufer, der sich erfolgreich durch das Dritte Reich drücken konnte, ohne sich wirklich je selbst die Finger schmutzig zu machen, hatte Qualtinger mit Carl Merz gemeinsam verfasst. Aber auch viele andere Texte hat Qualtinger geschrieben und auch selbst gesprochen und einige der besten davon (Best of) sind auf zwei CDs mit einer Laufzeit von fast drei Stunden vom Hörverlag veröffentlicht worden. Ilse Walter, die auch die Werkausgabe von Qualtinger herausgibt, hat die Texte für die vorliegenden CDs ausgesucht. „Der Burschi ist der Beschte, die Beschtie, die Beschtie“ heißt es in „Der Burschi und sein Publikum“. Hände tun vom Winken weh
Im „Traum eines österreichischen Sozialisten“, befindet sich ein Altsozialist im Allgemeinen Krankenhaus und beschwert sich über die Zitate, mit denen man sie eingeteilt hat und wie der Kasparek mit der Parteikasse abgehauen ist. Er erzählt auch vom „Bruderkrieg“ 1934, Sigmund Freud, der Arbeiterzeitung und seiner schönen Zeit im Parlament, wo „man sich geeinigt hat“, sagt er. Keine Genossen mehr da, nur mehr geistige (oder geistliche?) Schwestern. Nach dem Krieg waren sie dann alle wieder da, die Genossen, „die Trümmer haben noch geraucht“. Der „Geist der Wiederversöhnung“ weilte damals in Wien. Das erste Schnitzel und dann der erste Mai: „gwinkt hamma bis uans die Häand wehtoan hoam“. Er muss an die Kommunisten denken und an die Russen. Beim letzten Maiaufmarsch gab es ein Kaiserwetter. Aber der Geist ist nicht mehr da. Nach der Spritze im AKH. „Wie haben wir uns hinaufgearbeitet?“ Und wenn ich einmal sterbe kann ich denken, dass meine Stadt Wien ruhig weiterleben kann, glaubt er und stirbt.
„Wetten, die Stones sterben früher?“
„...alle mitananda?“ In die „Midnight-Krisis“ lamentieren zwei Männer in der Midlife-crisis an einer Bar bei lauter Beatmusik über ihre Vergangenheit und was jetzt aus ihnen geworden ist, „jeatz woa sogar da Elvis toadt is“. Beide sind geschieden und beide haben ihre Träume nicht so gelebt, wie sie es einst träumten. Irgendwie sind die beiden Freunde damals auseinander gekommen, wegen dem blöden „Stoff“. „Im Gemeindebau aufgwachsn ...des wiarst nia los“. Die alten Bekannten werden verhandelt und die Koatzn beschrieben. „Dea Alaing Delong (sic) wiard boiad a nimma kenna...“, meint der eine. „Unsere Weiba woarn zbled, des muass ma si einteiln. Public Relations.“ Wer sie damals auffliegen hat lassen? Egal, der eine hat seinen Laden, der andere hat schon sei’ dritte Wohnung: „Du Nudlkopf: ...hinteranda!“ Amerika wird gebasht, der Alkohol hinterlässt sein Spuren. „Jeda Prolet koan heidt noach St.Tropet (sic)“.
Von Hausmeistern und Chinesen
Im „Alleinherrscher“ nimmt Qualtinger die Wiener Hausmeister auf’s Korn, die glaubten, dass gleich die ganze „Gassn“ ihnen gehören würde. Schon als Junger beneidete er die Alten, die aus dem Fenster hinauslehnten und schauten. So wie die Chinesen heute. Die hätten sich wenigstens angepasst, anders als die „Neger“, bei denen es immer Dunkel in der Wohnung sei. „In unserem schönen Paradies“, wo manchmal die Rettung kam und dann ein Partezettel folgte. „Gschtunkn hoadts bei uns imma“, das habe nichts mit den Chinesen zu tun und den lieben Gott sehe man auch nicht mehr, der habe immer so viel zu tun. Aber wenn dieser es zulasse, dass sie das, was er aufgebaut habe, abreißen, „dann mach ich ein Loch in den Kanal unten, weil der wird immer noch derselbe sein, in unserem guten, alten Wien.“
Manche der Beiträge wird man sich mehrmals anhören wollen, weil erst dann die ganze Saat der Zwietracht aufgeht, mit der der Qualtinger die typischen Österreicher auf die Schippe nimmt. Ein Hörgenuss für Leute mit Humor, aber auch eine Reise in eine alte, versunkene Zeit.
Ilse Walter (Hg.)
Helmut Qualtinger
Best of
Produktion Preiser Records 1961-80
2DVDs, ca. 153 Minuten, Hörverlag,
ISBN 978-3-89940-913-0
[*] Diese Rezension schrieb: jürgen Weber (2016-09-24)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.