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Julia Wallner - DER DIE DADA. Unordnung der Geschlechter
Buchinformation

Subversiv und voller Sprengkraft: Mit "Dada" begann auch die Neudefinition von Geschlechterrollen. In Kunstwerken aller Gattungen, Malerei, Objekten, Fotografien, Film, historischen Dokumenten, Texten und grafischen Entwürfen spürt der vorliegende Band der Vielfalt der ersten Avantgardebewegung des 20. Jahrhunderts nach.

Das Ende der bürgerlichen Gesellschaft

"Ich bin der große Derdiedas/das rigorose Regiment/der Ozonstengel prima Qua/der anonyme Einprozent", dichtete Hans vor 100 Jahren, 1924. Die Ausstellung im Arp Museum zeigt - ebenso wie vorliegender Katalog - über 180 Exponate aller Gattungen - Malerei und Objekt, Zeichnung und Collage, Fotografie, Film, historische Dokumente, Texte und grafische Entwürfe, die allesamt den Esprit von Dada atmen, der einst angetreten war, die Welt zu verändern. "Nicht nur die kapitalistische Wirtschaft, sondern auch alle Wahrheit, Ordnung, Recht, Moral, auch alles Männliche und Weibliche ist in Auflösung", behauptete Raoul Hausmann unmittelbar nach dem Großen Krieg. Das Gleichgewicht war aus dem Lot und alles schien in Auflösung begriffen, warum sollte man also noch versuchen, etwas wiederherzustellen oder zu kitten, was endlich untergegangen war? Als sich Dada 1916 schon langsam in der Schweiz formierte und 1918 im ersten Manifest gipfelte, in dem es u.a. hieß "Gegen dies Manifest zu sein, heißt Dadaist zu sein", feuerte man noch aufeinander. Aber jetzt gab es erstmals in der westlichen Welt eine internationale Bewegung, die sich auch die Gleichberechtigung auf die Fahnen schrieb. Denn der Einfluss von Frauen wie Elsa von Freytag-Loringhoven wurde zwar von den Nachgeborenen verschwiegen ist jedoch unleugbar. Selbst das erste Readymade der Kuntsgeschithe, das berühmte Urinal "Fountain" (1917) von Marcel Duchamp soll ursprünglich die Idee einer Frau gewesen sein. Eben jener Elsa von Freytag-Loringhoven, die auch im vorliegender Publikation als Cyberpunk endlich zu Ehren gelangt.

Die DADA-Weltrevolution

Die Anfänge des Dada in Zürich werden ebenso näher beleuchtet, wie dada New York und dada Paris, Berlin, Hannover, Köln. Wilde Soireen, unkonventionelle Tanzabende, groteske Maskeraden und schrille Happenings auf offener Straße, Vorläufer von Performances – Dada war avantgardistisch und prägte die Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts nachdrücklich. Durch die Zerrüttungen des Ersten Weltkrieges waren alle sozialen und moralischen Wertmaßstäbe durcheinander. Alles was bisher als vernünftig galt, war durch den Krieg auf den Kopf gestellt worden. Das Vertrauen in die Institutionen der Gesellschaft wie etwa Kirche oder Staat war durch den Krieg unwiederbringlich verloren gegangen. "Dada" formierte sich zuerst als Ansage gegen die bürgerliche Gesellschaft, die nichts als den Krieg gebracht hatte. Im Endeffekt. So wie alle anderen Grenzen stürzten, wurde auch die der Geschlechter von Dada gestürzt, wie die vorliegende Publikation zu beweisen versucht ist. "Der Band zeigt die noch immer weithin unterschätzte Beteiligung weiblicher Stimmen an der subversivsten aller Kunstströmungen des 20. Jahrhunderts", so die Herausgeberin. Die Bedingungen einer echten Revolution hatte Raoul Hausmann schon 1919 formuliert. In einem Artikel mit dem Titel Weltrevolution schreibt er u.a.: "Die bislang als sexualtreue gepriesenen Besitzbegriffe erweisen sich als dem Manne bequeme Ausbeutungslügen, die die Frau herabmindern zu Prostituierten in mehr oder weniger fest bezahlter Form, aber der wirklichen Weibsexualität weder bei der Mutter noch bei der freien Frau gerecht werden."

Eine Vielzahl von Abbildungen und dada-Texten lockern die vielschichtigen und interessanten Essays dieser Publikation auf und zeigen in einem ansprechenden Design die Wirkungsmacht einer Bewegung deren Name nur aus zwei Silben besteht: DADA. Mit KÜNSTLER*INNEN wie SONIA DELAUNAY, MARCEL DUCHAMP, SUZANNE DUCHAMP, ELSA VON FREYTAG-LORINGHOVEN, GEORGE GROSZ, MARTA HEGEMANN, JOHN HEARTFIELD, EMMY HENN...


Hg. Julia Wallner
DER DIE DADA. Unordnung der Geschlechter
Beiträge von A. von Asten, C. Baumberger, I. Boesch, S. Gehr, N. Gomringer, T. Kwartler, A. Mareuge, B. Ochaim, H. von Saldern, I. Schulz, U. Ströbele, J. Wallner, J. Warmbrunn
2024, 288 Seiten, 200 Abbildungen, 17 x 24 cm, Klappenbroschur, offenes Umschlagpapier
ISBN: 978-3-7774-4443-7
Hirmer Premium
38,00 € [D] | 39,10 € [A]

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2024-10-07)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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