„Alle Städte sind gleich“, „nur Venedig is a bissele anders“, sagt Friedrich Torbergs Tante Jolesch und was diese Andersartigkeit ausmacht, haben mehrere Hundert Schriftsteller oft und oft beschrieben. Eine Auswahl der berühmtesten Aus- und Ansichten Venedigs finden Sie auf diesem fürstlich zusammengestellten Hörbuch, das immerhin 21 verschiedene Autoren beherbergt, wovon ein paar gleich mehrmals zu hören sind.
Schon Goethe wusste 1786 zu vermelden: „Von Venedig ist alles gesagt und gedruckt, was man sagen kann.“. Und dennoch kannte er noch nicht einmal einen Bruchteil dessen, was seither über die Lagunenstadt publiziert und gesagt wurde. Der vorliegende literarische Reiseführer ist, wie der Autor im Vorwort betont, „topographisch angelegt“, die Texte werden den Sehenswürdigkeiten zugeordnet, sodass sich auch der Neuling in der Stadt leicht zurecht finden kann. Auch wenn das eine contradictio in res zu sein scheint, sich in Venedig zurechtfinden zu wollen, tun dies nämlich nicht einmal die Bewohner, wie etwa Fritz von Hermanovsky-Orlando ironisierend feststellt. Es gehöre zum Stolz jedes Besuchers und auch Bewohners niemals nach dem Weg zu fragen und so erkläre sich auch das „auffallend rege Straßenleben der im Grund nur wenig bevölkerten Stadt“: „es kommt von den vielen Verirrten“.
„Wenn ich ein anderes Wort für Musik suche, so finde ich immer nur das Wort Venedig“, schrieb einst der ansonsten unpoetische Friedrich Nietzsche, der ebenso gerne hier, in Venedig, verweilte, wie Rainer Maria Rilke oder George Sand. Keine Stadt der Welt verlässt man so ungern wie Venedig, heißt doch das Lateinische „Veni etiam“, von dem Venetien hergeleitet werden könnte, so viel wie „Komme wieder“. Zumindest Francesco Sansovino schien dies beim Scheiden ein Trost gewesen zu sein: einmal wieder zu kommen in die Schönste aller Städte.
Da fällt das anfangs schwärmerische Urteil Richard Dehmels schon etwas kritischer aus, in dem mit „Punta della Salute“ übertitelten Gedicht schreibt er: „Hier möchte ich sterben, alt, wie Tizian starb,/doch in verhängter Gondel und allein./Durch einen Spalt nur glühn im Abendschein/verwitterte Paläste glorienfarb./Schlaftrunken schaut die Wasserfläche drein/und haucht mir eine Seelenruhe ein,/die niemals um ein ewiges Dasein warb./So möchte ich sterben...aber leben: nein!“
Es gibt also durchaus auch Humorvolles in dieser Sammlung zu finden, denn nicht alle Autoren verblassen gleich in Ehrfurcht vor der Serenissima. Eines haben sie aber alle gemein, wie ein venezianisches Sprichwort es zusammenfasst: „Vedi Napoli e poi mori, vedi Venezia e po´ discori.“ Neapel sehen und sterben, Venedig sehen und reden... Franz Peter Waiblinger, Jahrgang 1944, lehrt Didaktik der Alten Sprachen an der Universität München und ist publizistisch und als Übersetzer tätig. Er arbeitet unter anderem auch für die Süddeutsche Zeitung. Neben Venedig gilt sein Interesse vor allem der Stadt Rom. Ein literarischer Reiseführer zu Rom ist ebenfalls in der wissenschaftlichen Buchgesellschaft in gleicher Ausstattung erschienen, beide sowohl in Buch als auch CD-Form.
Franz Peter Waiblinger (Hrsg.)
Venedig - Hörbuch
Mit Musik von Franz Liszt
Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt
2007
1 CD 65 Minutten www.wbg-darmstadt.de
ISBN: 9783534600021
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2010-07-02)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.