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Jan Costin Wagner - Das Schweigen
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Wagner, Jan Costin - Das Schweigen bestellen
Wagner, Jan Costin:
Das Schweigen

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(Bücher frei Haus)

Nach seinem Erfolgskrimi "Eismond" legte Jan Costin Wagner, deutscher Autor mit finnischer Ehefrau und daher einer naturgemäß nicht nur literarischen Affinität zum großen menschenarmen Land im Norden Europas, mit "Das Schweigen" im Jahr 2007 seinen zweiten Roman um den Turkuer Kommissar Kimmo Joentaa vor. Er handelt von einem dreiunddreißig Jahre zurückliegenden Vergewaltigungsmord an einer Dreizehnjährigen, zu dem es eine aktuelle Parallele zu geben scheint, denn an genau derselben Stelle verschwindet unter ganz ähnlichen Umständen wiederum ein blutjunges Mädchen. Joentaas inzwischen pensionierter Kollege Ketola, der den ersten Fall in den 1970er Jahren bearbeitete, liefert den Ermittlern wertvolles Hintergrundwissen. Die zweite Leiche wird jedoch nicht gefunden. Aus der Sicht der Täter von damals baut Wagner eine Art Parallelhandlung auf. Leider wirkt das ganze Geschehen jedoch ziemlich angestrengt. Einzig die Figur Joentaas, der noch immer unter dem Verlust seiner Frau Sanna leidet, die vor Jahren an Krebs starb, wird von Wagner glaubwürdig und bisweilen sogar berührend ausgeführt. Bereits die literarische "Verlustparallele" zum Exkollegen Ketola, dem der fortschreitende Drogenverfall seines Sohnes zu schaffen macht, besitzt diese Tiefe nicht mehr, und die psychologischen Beweggründe der Täter werden kaum gestreift und, wo doch, in vorhersehbare Schablonen gegossen. Dabei schafft es das Buch trotz aller grundsätzlichen strukturellen Schwächen durchaus, Spannung zu erzeugen. Wagner versteht es, den Leser hinzuhalten, und so klären sich die wesentlichen Dinge dann auch erst auf den allerletzten Seiten. Die Auflösung des Romans ist allerdings so hanebüchen, dass man sich unwillkürlich die Augen reibt. Der Rezensent hat sich kurz gefragt, ob er das Ende in diesem Fall nicht vielleicht hier verraten und ein Lesen des Buches damit überflüssig machen soll, fürchtete sich dann allerdings doch vor der Steinigung durch die Krimigemeinde. Nur so viel: nichts ist wie es schien und doch alles so, wie man es einhundertfünfzig Seiten zuvor schon geahnt hat. Wie Tobias Gohlis in der "Zeit" zu dem Urteil kam, Wagner als "Meister moralischer Verunsicherung" zu bezeichnen, bleibt sein Geheimnis. "Neon" schrieb gar, das Buch sei "eine meisterhaft komponierte, fast lyrische Meditation über Schuld und Schuldfähigkeit". Sorry, Kollegen, aber genau das ist das Buch nicht: statt mit einer nachvollziehbaren psychologischen Täteranalyse aufzuwarten speist Wagner den Leser mit Fetzen von Bildeinstellungen, nichtssagenden Innenrückblenden und einer Sprache ab, die sich in ihrer kalten Simplizität zwar geheimnisvoll zu geben weiß, damit aber letztlich nur die Substanzarmut der Handlung kaschiert. Da hilft auch die Exotik eines literarisch noch nicht so stark abgenudelten Schauplatzes (nun nach Donna Leons Venedig und Henning Mankells Ystad eben das finnische Turku) wenig. Als Strandlektüre mag "Das Schweigen" ja noch hingehen, aber den "literarischen Glücksfall", den der Verlag auf dem Einband verspricht, vermag man nun wirklich nicht nachzuvollziehen. Da zu erwarten ist, dass Jan Costin Wagner noch weitere Bücher um den Kommissar Joentaa folgen lassen wird (und mit "Im Winter des Löwen" ist dies ja 2009 auch bereits geschehen), kann man nur hoffen, dass er seinen künftigen Nebencharakteren und Plots mehr Tiefenschärfe angedeihen lassen möge.

[*] Diese Rezension schrieb: Marcus Neuert (2010-06-03)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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