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Michaela Vocelka - Franz Joseph I.: Kaiser von Österreich und König von Ungarn
Buchinformation
Vocelka, Michaela - Franz Joseph I.: Kaiser von Österreich und König von Ungarn bestellen
Vocelka, Michaela:
Franz Joseph I.: Kaiser
von Österreich und
König von Ungarn

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(Bücher frei Haus)

Der vorletzte österreichische Kaiser starb im November 1916 und deswegen finden dieses Jahr mehrere Ausstellungen zu Leben und Werk von Franz Josef I. statt. Die lieux de mémoire sind in der ehemaligen Reichshauptstadt Wien zahllos und ein Spaziergang durch die nunmehrige Bundeshauptstadt der Republik Österreich gleicht vielfach einer Reise in die Vergangenheit, denn gerade das 19. Jahrhundert hat Wien geprägt und ihm sein heutiges Antlitz verliehen. In die Regierungszeit des längstdienenden Staatsoberhauptes fiel nämlich auch die Schleifung der Stadtmauern und die Entwicklung der Stadt zu der Metropole, die sie heute ist. Sicherlich kann die Stadtentwicklung aber nicht nur dem Kaiser gutgeschrieben werden, denn sie hätte auch ohne ihn stattgefunden. Weniger klar ist allerdings, ob auch der Weltkrieg ohne ihn stattgefunden hätte, denn Kaiser Franz Joseph spielte als Kind schon gerne mit Zinnsoldaten und sah im Militär seine eigentliche Heimat und Familie.

Pulverdampf und Zinnsoldaten
Kaiser Franz Joseph war aber auch so etwas wie der oberste Bürokrat, denn nicht nur dass er jeden Tag frühmorgens aufstand um seinen Amtsgeschäften nachzugehen, nein, er verkörperte auch gleichsam alle bürgerlichen Tugenden- und das als Kaiser! „Sparsamkeit, Ordnungsliebe, (...) Routine seines Tagesablaufs, seine Faszination als `Bürokrat´ täglich alle Akten zu lesen und zu erledigen, sein bescheidener Lebensstil und vieles andere (...)prägen heute noch zu wenig schattiert sein Bild“, schreiben die Vocelkas in ihrer Biographie über den obersten Feldherrn. Sie wollen in ihrer Biographie ausdrücklich die Persönlichkeit des Kaisers in den Mittelpunkt rücken, heißt es weiters im Vorwort. Erzherzogin Sophie, die Mutter des künftigen Kaisers, hatte mehrere fausse couche, Fehlgeburten und auch Franz Joseph musste „mit einer Zange aus dem Mutterleib geholt werden, wodurch er drei kleine Wunde am Hinterkopf erlitt“. Der Hauslehrer, Dr. Joseph Fick, bei dem Franz Joseph erzogen wurde, hatte in späteren Lebensjahren so schwere Geistesstörungen, dass er in die Irrenanstalt eingewiesen wurde. Das war auch dem kleinen Franzi aufgefallen, der ihn gar nicht mochte. Später sollte er über sich als Kind sagen: „Der Pulverdampf ist mir der liebste Geruch.“ Damals spielte er am liebsten mit Zinnsoldaten und Kriegsgerät, doch seine Passion für das Militär sollten später andere bezahlen müssen, als Franz Joseph nämlich sein ganzes Volk in den Krieg schickte und sein Imperium damit quasi eigenhändig zertrümmerte.

Des Bruders Kassandraruf
Maximilian, der Kaiser von Mexiko, soll über seinen älteren Bruder schon als 15-jähriger gesagt haben: „Ich sage Ihnen, der Bruder Franzi wird einmal als Regent gar nicht gut sein. Er liebt nur das Militär, das Volk mag er nicht, da will er nur dreinschlagen.“ Außerdem soll er schon als Kind egoistisch, eingebildet und schadenfroh gewesen sein, auch seine steife Haltung bei Hofe fiel vielen auf, sogar seiner Mutter. Als er 1848 als 18-jähriger den Thron bestieg, der ihm von seinem „gütigen“ Onkel, Ferdinand, überlassen wurde, wählte er den Namen Franz Joseph I und legte damit eigentlich sogar ein Bekenntnis zum Reformkaiser Joseph II. ab, aber die Revolution, die seine Thronbesteigung ja vorausgegangen war und mit dem jungen Kaiser ein Neubeginn gegenüber dem Volk signalisiert werden wollte, schlug er erbarmungslos nieder und begründete damit den sog. Neoabsolutismus, also eine Regierungsform, die noch vor die Französische Revolution zurückreichte und den Monarchen unangefochten in den Mittelpunkt der staatlichen Willensbildung und Machtausübung stellte. Selbst dem russischen Zaren war das Verhalten von Franz Josephs gegenüber den ungarischen Aufständischen von 1848/49 zu viel und er erhob sogar Einspruch, nachdem am 6. Oktober 13 Generäle der Honvéd-Armee gehängt worden waren. Die Märtyrer von Arad werden heute noch als solche am Jahrestag in Ungarn gefeiert. Derselbe Zar, Nikolaus I., soll auch 1853 den Ausspruch getätigt haben: „Wenn ich von Russland spreche, spreche ich auch von Österreich.“ Für sein liebstes Hobby – das Militär - hatte der Kaiser im Jahre seines Amtsantritts bis 1859 übrigens schon 63,6 Prozent des Staatshaushalts ausgegeben. Schwarzenberg hatte das Programm der Herrscherclique der er selbst angehörte einmal mit den Worten kommentiert: „Nous étonnerons le monde par notre ingratitude“: Wir werden die Welt durch unsere Undankbarkeit in Erstaunen versetzen. Auch wenn dies auf die unterlassene Hilfestellung gegenüber Russland im Konflikt mit dem Osmanischen Reich gemünzt war und somit vom Zar als Verrat an der Heiligen Allianz gewertet wurde, könnte man es doch auch auf die späteren Jahre der Herrschaft Franz Josephs ausdehnen. Den Preis musste freilich nicht er zahlen, sondern sein Volk.

Die Biographie eines „großen Staatsmannes“, wie der Mann, der einen Weltkrieg mitverursachte, gerne genannt wird, wirft einige neue Schlaglichter auf die Persönlichkeit eines Herrschers, der wohl wie kaum ein anderer die gute alte Zeit verkörpert. Was war aber eigentlich so gut, an dieser „guten alten Zeit“?

Vocelka, Michaela / Vocelka, Karl
Franz Joseph I.
Kaiser von Österreich und König von Ungarn
1830-1916. Eine Biographie
2015. 458 S.: mit 28 Schwarz-Weiß-Abbildungen, 13 farbigen Abbildungen im Tafelteil, 2 farbigen Karten im Vorsatz und 1 Stammtafel. Gebunden
ISBN 978-3-406-68286-5

[*] Diese Rezension schrieb: jürgen Weber (2016-02-23)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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