Wieder einmal startet aktuell ein US Präsident den Versuch, zwischen Israel und seinen Nachbarn eine Form von Burgfrieden, Waffenstillstand, wirklichem Frieden herzustellen. Wieder einmal, wie alle seine Vorgänger in jüngerer Vergangenheit samt aller Außenminister und Regierungsleitenden der westlichen Hemisphäre seit Generationen.
Worum geht es dort eigentlich? Und wann begann dieses Klima von umherfliegender Raketen, Selbstmordanschlägen, Bombenlegungen, Vergeltungsaktionen und Kriegen zwischen dem jüdischen Staat und seinen Nachbarländern?
Bereits zur Gründung des Staates Israel nach dem zweiten Weltkrieg? Zur Zeit der, durch Israel, überlegen gewonnenen Kriege in den 60er Jahren? Als Folge expansiver israelischer Siedlungspolitik? Oder letztlich, und das wird so manchen Leser überraschen, war vielleicht noch nie Frieden in diesem Gebiet um die heilige Stadt Jerusalem herum? Immerhin, schon vor 3500 Jahren sah sich das Volk der Juden von allen Seiten, mit wechselndem Kriegsglück und durch die Jahrhunderte hindurch, bedrängt.
In umfassender Gründlichkeit betrachtet Dieter Vieweger die aktuellen Konflikte im Blick auf ihre Wurzeln, ihre aktuellen Auslöser und die gegenwärtigen, aber auch in der Geschichte verankerten, Reibungspunkte. Die wichtigen Konfliktfelder werden ebenso offen gelegt, wie auch, besonders hilfreich zum Verständnis, in sachlich beschreibendem Stil die Traditionen der ansässigen Volksgruppen knapp, aber präzise und verständlich, aufgearbeitet werden. Gerade in Jerusalem wird ja wie in einem Schmelztiegel deutlich, welche Traditionen jüdischer, muslimischer und christlicher Religions- und Kulturgeschichte zusammenfließen, ohne sich verbinden zu können, da die fundamentalen Überzeugungen massiv gegeneinander stehen.
Ebenso sachlich beschreibend und sich der Falle leichter und damit oberflächlicher Bewertungen enthalten zeichnet Vieweger ebenso knapp und präzise die Grundproblematiken der Palästinenser Frage nach.
Auf nicht sonderlich breitem, geographischem Raum mit dadurch wenig vorhandenen wirtschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten drängen seit Jahrhunderten in ihren Grundüberzeugungen unversöhnlich gegeneinander stehende Volks- und Glaubensgruppen in ständiger Reibung gegeneinander, ohne je für sich jenes Gut herstellen zu können, welches das dringendste Bedürfnis darstellt: Sicherheit.
Neben den politischen Strömungen und den sich verändernden, aber immer im Raume stehenden konkreten Reibungspunkten bietet Dieter Vieweger auch einen Blick auf konkrete, für das Geschehen in Gegenwart und Geschichte wichtige, beteiligte Personen.
Abgerundet wird seine, in Haltung und Sprachstil gelungene und neutrale Darstellung der ZU- und Umstände im Nahen Osten durch eine Reihe kartographischer Einblicke, die die räumliche Enge der beteiligten Parteien deutlich vor führen.
Nach der gründlichen Darstellung auf knapp 260 Seiten wird auch dem unbefangenen Leser deutlich, dass zwei Völker mit grundlegend anderer Werte- und Überzeugungsstruktur nur die eine Möglichkeit zu einer friedlicheren Form des Miteinanders verfolgen können, indem sie die einzelnen Problemfelder Punkt für Punkt abarbeiten. Gerade weil wesentliche Momente des Konfliktes auf religiöser Ebene zu finden sind und sich damit pragmatischen Zugriffen entziehen, wird dieser schrittweise Weg in massiver Form erschwert.
Man mag Dieter Vieweger in seiner sachlich nüchternen, nie bewertenden Darstellung daher durchaus in seiner Bewertung folgen, im Nahostkonflikt die „Mutter aller Konflikte“ zu erkennen. Und damit auch die Nagelprobe für die Chancen anderer Lösungen als jener, einander mit Sprengstoff auszulöschen oder ein ganzes Volk wegsperren zu wollen.
Ein wichtiges Buch für das sachliche Verständnis und die Betrachtung der inneren Grundlagen des Nahost Konfliktes.
[*] Diese Rezension schrieb: Michael Lehmann-Pape (2010-09-02)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.