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Rezensionen


 
Noah Van Sciver - Fante Bukowski - ein amerikanischer Traum
Buchinformation

Kelly Perkins ist Rechtsanwaltsgehilfe aus Denver, Colorado und lebt vom Geld seiner Eltern. Aber er hat einen Traum. Einen amerikanischen Traum. Er möchte Schriftsteller werden. Allerdings hat er noch gar kein Buch geschrieben. Allenfalls etwas Lyrik. Unter seinem nome de guerre, Fante Bukowski, zieht er aus, um die Welt der Literatur zu erobern. Vorerst bewaffnet mit seinem ersten Gedichte-Zine, einem sechsseitigen, zusammengefalteten und kopierten A4-Blatt.

Die 90er: Fanzines und DIY

Bukowski ist Kellys Pseudonym weil er jedes Buch von ihm gelesen hat und dessen Vorbild war wiederum John Fante. Eine Kombination aus beiden Namen soll Kelly Perkins helfen, sein Ziel, Schriftsteller zu werden, schneller zu erreichen. Aber wer liest schon noch Bücher? „Wenn überall nur noch blinkende Bildschirme sind"? Kellys erklärte Feinde sind natürlich die Verleger und Redakteure, denn die wollen seine Gedichte nicht veröffentlichen. Also kommt er - in typischer DIY-Manier der Neunziger Jahre - auf die Idee, sein eigener Herausgeber und Redakteur zu werden. Gesagt, getan, aber wie soll er die 20.000 kopierten Exemplare nun an den Mann/die Frau bringen? Auf einer Party lernt er die einschlägigen Verdächtigen des Literaturbetriebs zwar kennen, aber bald nennt er sich nur mehr „Dan": „Bis dan! Sayonara..." und verzieht sich zurück in seine Schreibhöhle. Er adoptiert einen Streuner und wird so wie die meisten Schriftsteller zum einsamen König im Exil, denn am liebsten sind sie ja doch allein, diese Künstler. Auch Comic-Zeichner gehören da natürlich dazu, denn Noah Van Sciver baut sich selbst in Kellys Geschichte ein und sorgt damit zusätzlich für durchwegs witzige Situationen.

Fante Bukowski - Koryphäe des Versagens

Außerdem gibt es quasi am Anfang jedes Kapitels ein Zitat eines wichtigen Schriftstellers und so lernt ganz nebenbei auch einiges über die amerikanische Literatur und wiederum seine Vorbilder. „Schlechte Künstler kopieren, großartige Künstler stehlen", wird allerdings einem Maler, Pablo Picasso, zugeschrieben. Ungeniert legt Kelly seinen ersten Roman einem Verleger vor, den er von Milan Kundera abgeschrieben hat. Aber tun das nicht alle? Ganz nebenbei gabelt Kelly auch eine Freundin auf, die selbst Schriftstellerin werden will. Ihr Weg wird allerdings alsbald von Erfolg gesegnet und erst nach einigen Turbulenzen kommt es zur lange erwarteten Begegnung der beiden am Höhepunkt des Dritten Teils. Auf die Frage einer seiner Künstlerkolleginnen, ob er einmal Drogenkurier gewesen sei, antwortet Kelly lakonisch, dass er seinen Kummer mit Drogen kuriert habe. Aber was sein Kummer eigentlich ist? Seine Emo-Jahre mit den Waschbären im Dachboden seiner Eltern? „Jobs sind ausgeschlossen! Jobs sind was für Versager!"

Fante Bukowski – „ein amerikanischer Traum"

Natürlich kämpft auch Fante mit seinem Vermieter und den üblichen Geldsorgen eines brotlosen Künstlers. So pumpt er immer wieder seine Eltern um Geld an, ganz ohne schlechtes Gewissen, denn schließlich unterstützen sie damit ja ein Genie. Sein Genie. Dieses Genie verlangt auch ab und zu danach, zu einer Prostituierten zu gehen, ganz wie sein Vorbild, und so lernt er eine Dame kennen, die ganz zufällig auch einige Kundschaften aus dem Literaturbetrieb hat. Eine schöne Pointe, dass Fante Bukowski seinen endlich eintretenden Erfolg dann ausgerechnet ihr zu verdanken hat. Einer Frau und Prostituierten. Auch die anderen Frauen in der vorliegenden Graphic Novel, die durchaus episches Ausmaß hat (drei Kapitel!) spielen eine große Rolle in Kellys Leben, außer seiner Mutter. Es gibt da ein paar treffend gezeichnete Performance Künstlerinnen, aber auch ein neues Sternchen am Pophimmel, Royella, deren Biographie ausgerechnet Kelly verfassen soll. Er bekommt einen Vorschuss und kauft sich einen großen Hut, um seinen im Sterben liegenden Vater noch einmal so richtig zu beeindrucken. Er soll sehen, dass doch noch etwas aus seinem Sohn geworden. ist.

„Fante Bukowski - ein amerikanischer Traum" ist voll böser Ironie über das Literatur- und Künstlermilieu größerer amerikanischer Städte und beschreibt perfekt das Klima der Neunziger Jahr, in denen sich fast jede/r für einen Künstler hielt, der zehn Uhr abends noch gerade stehen konnte, ohne sich an einem Tischbein festhalten zu müssen (Dean Martin). Seine vielen Charaktere die seinen gezeichneten Roman (graphic novel) bevölkern sind durchwegs authentisch und so bunt wie das Leben dargestellt. Aber auch das Künstlergenie selbst wird in all seiner Lächerlichkeit und Selbstgefälligkeit seziert, denn eigentlich ist es doch pathologisch, in der Öffentlichkeit stehen zu wollen, seien wir ehrlich. Oder nicht?

Ein witziger Beitrag zum Zeitgeschehen, den man sich nicht entgehen lassen sollte. Ganz abgesehen von den fantastischen Zeichnungen natürlich!

Noah Van Sciver
Fante Bukowski - ein amerikanischer Traum
Text & Zeichnungen: Noah Van Sciver
Übersetzung aus dem Englischen von Benjamin Mildner
2020 416 Seiten , Hardcover, 15 x 23 cm, vierfarbig
ISBN: 978-3-96445-036-4
Avant Verlag
30,00 €

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2021-11-26)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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