„Denying that her wound came from the same source than her power“, heißt es an einer Stelle dieses Films, der erstmals eine Frau unabhängig von Männern auf dem Weg zu sich selbst zeigt. Cheryl Strayed versucht nach einigen Schicksalsschlägen ihr Leben wieder in den Griff zu kriegen und begibt sich auf eine Art Jakobsweg. In Rückblenden erfährt der Zuseher immer mehr über ihre Vergangenheit: der Krebstod ihrer Mutter, ihre Heroinsucht, ihre Promiskuität, ihre Scheidung und als Ursprung allen Übels auch die Ehe ihrer Mutter mit einem Alkoholiker. „I am going to walk myself back to the woman my mother thought I was.“ Ihre Mutter wollte immer ein besseres Leben für sie und dass sie smarter sein würde als sie.
Wandern, um wieder zu leben
„El Cóndor Pasa“, eigentlich ein peruanisches Volkslied, das durch die Version von Simon & Garfunkel populär wurde, liefert die Grundierung für diesen Aussteigerfilm und so werden immer wieder Zeilen aus dem Lied zitiert, bis etwa am Ende des Films das Lied endlich ganz ausgespielt wird: „I‘d rather be a sparrow than a snail, I’d rather be the hammer than the nail“, so wie in dem Lied, geht es auch im Film um die Suche nach einer verlorenen Heimat, die die Protagonistin schließlich nur in sich selbst finden kann. Natürlich kommt sie nicht ganz ohne die Hilfe fremder Männer aus, diese Cheryl, auch ihr Ex-Mann schickt ihr Pakete an vereinbarte Adressen mit Büchern aus denen sie immer wieder gerne zitiert und sich damit in Fahrtenbücher verewigt. Eigentlich drückt es am besten einer der drei Jungs aus, die auf ihren Spuren schließlich zu ihr gelangen: „Keiner hat auf diesem Trail je was für uns getan, aber dir scheinen alle gefallen zu wollen“.
Das Glück des Lebens
„If you`re ready for love, than you’re tougher than the rest“, aber diese Liebe bezieht sich nicht mehr auf eine Person - ihren Ehemann oder ihre Mutter – sondern auf die Liebe zum Leben, die ihr auch ein Rotfuchs vermittelt, dem sie hilfesuchend hinterherschreit: „Come back!“ und meint doch ihre Mutter oder ihren Ehemann damit. „We are never prepared for what we expect.“ Wenn wir es bekommen, dann erkennen wir es zu spät oder schätzen es zu wenig und machen es kaputt. Ist das die Erkenntnis, die Cheryl sucht? Ein cooler Soundtrack mit Portishead u.a. und tolle Naturaufnahmen aus Oregan – also an Originialschauplätzen des Trails- machen diesen Film zu einem sinnlichen Genuss in jeglicher Hinsicht. Reese Whiterspoon hatte sich die Rechte für den Film gekauft und Nick Hornby für das Drehbuch verpflichtet, um selbst die Autobiographie der US-Amerikanerin Cheryl Strayed nachspielen zu können. Die meilenweite Wanderung (1600km) auf dem Pacific Crest Trail soll die Protagonistin des Romans und Films auf den rechten Weg zu sich selbst zurückführen und mit einem abrupten aber stimmigen Ende gelingt dies auf außergewöhnliche Weise.
Nick Hornby/Jean Marc Vallée
Der Große Trip – Wild
Blu Ray Disc, 115 Minuten, 2015 Fox
Mit Reese Whiterspoon, Laura Dern
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2015-05-19)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.