In Italien hat selbst das „einkaufen gehen“ und „auf den Markt gehen“, „mit den Verkäufern reden und streiten“ seinen eigenen Rhythmus und erfordert auch eine gewisse soziale Kompetenz, wie sie gerade in mediterranen Kulturen so verbreitet ist, schreibt Valabrega, aber ganz besonders sind natürlich auch bestimmte Rezepte mit eigenen Erinnerungen an die Kindheit und Jugend verbunden. Einkaufen, Zeit in der Küche zu verbringen, den Tisch decken und Gäste mit Freude empfangen gehört zu den wohl erlesensten Gepflogenheiten jeder Kultur, aber zu ihrer eigentlich Blüte ist diese Kunst gerade in unserem südlichen Nachbarland über Jahrhunderte gereift.
“Was soll ich bloß heute kochen?“
Die Tradition der jüdischen Küche speziell in Rom – wo Valabrega lebt - ist sogar über tausend Jahre alt und ist vielleicht sogar die eigentliche römische Küche. Die Gliederung des Buches folgt der Einfachheit halber den Tischgängen und so finden sich gleich an erster Stelle unter „Vorspeisen und kleine Gerichte“ die beliebten Fiori di Zucca, auch bekannt als Zucchiniblüten. Luciano Valabrega, geborener Römer, überliefert aber nicht nur die Rezepte seiner Familie auch die Erinnerungen, die er wie Zutaten zu den Speisen mischt: Erinnerungen an die Kindheit im faschistischen Rom, als die Familie sich verstecken musste und die Nachbarn Körbe mit Essen brachten. Aber auch an Nachmittagsspaziergänge mit dem Großvater, Sonntagsausflüge oder die ersten Kinobesuche in der aufregenden Hauptstadt des Dolce far niente. Valabrega liebt am meisten die einfachen Gerichte der römischen Küche: die pizza bianca – weiße Pizza aus Brotteig mit grobem Meersalz und Öl –, Suppen, Pasta oder frittierte Artischocken und eben - Zucchiniblüten. Keine Angst also vor dem Nachkochen, denn schwierig ist eigentlich nur die Konzentration, nicht das Kochen: „Zwei Sardellen mit Öl hat man ja immer zuhause und Knoblauch auch“, so Valbrega, also bietet sich „Spaghetti con le alici“ an.
Mediterrane Genuss- und Lebenskunst
Valabrega serviert seinen Gästen auch Fleischgerichte vom Lamm, Kalb oder Huhn und kredenzt sie in raffinierten Varianten. Freitags gibt es natürlich „Fisch“, Stockfisch aus dem Ofen etwa oder zu Silvester/Neujahr Linsen, denn je mehr man davon isst, desto mehr wird der Geldbeutel im nächsten Jahr klingeln. Für eine bessere Verdauung wird mit Feigen oder Nüssen mit Ricotta und eingelegte Früchte gesorgt. Luciano Valabregas Kochkunst ist mehr noch eine Lebenskunst, denn wer sich die Zeit für das Kochen nimmt, wird allein durch den Vorgang schon geadelt. Die Illustrationen in dem vorliegenden Koch- und Lebenskunstbuch wurden mit freundlicher Genehmigung des Autors abgedruckt: sie zeigen seine Familie am Strand, beim Heiraten oder Auto fahren und sogar das Atelier von Canova, in dessen Haus auch der Vater des Autors seine Werkstatt für Federn und Kunstblumen hatte. Im Anhang befindet sich ein Register aller Speisen und Rezepte.
Luciano Valabrega
Puntarelle & Pomodori
Die römisch-jüdische Küche meiner Familie
Aus dem Italienischen von Marianne Schneider
Rotes Leinen. Fadengeheftet
144 Seiten mit vielen Abbildungen
ISBN 978 3 8031 1313 9
€ 15.90/€(A)16.40
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2015-11-23)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.