„Niemals wurden in der deutschen Geschichte größere und edlere Bauwerke geplant, begonnen und ausgeführt als in unserer Zeit (...). Deshalb sollen diese Bauwerke nicht gedacht sein für das Jahr 1940, auch nicht für das Jahr 2000, sondern sie sollen hineinragen gleich den Domen unserer Vergangenheit in die Jahrtausende der Zukunft.“ Auch wenn diese Worte Hitlers am Reichsparteitag in Nürnberg 1937 nicht unbedingt auf die Wiener Flaktürme gemünzt war, so nahmen sie doch vorweg, dass man sich auch heute noch, 70 Jahre danach, mit den materiellen Bausünden und aller anderen von nicht-materiellen Hinterlassenschaften der NSdAP auseinandersetzen muss. Auch wenn man sowohl das eine wie das andere am liebsten in die Luft sprengen würde und ungeschehen machen wollte, gelingt es gerade mit den Wiener Flaktürmen nicht. Ein Versuch in den 70igern hatte gezeigt, dass durch eine Sprengung zwar alle in der Umgebung befindlichen Gebäude zerstört werden können, nicht jedoch die Türme selbst. Die Mahnmale des Faschismus sollten zu Mahnmalen gegen Krieg und Völkermord umgearbeitet werden. Zum Teil ist das auch schon gelungen, aber immer noch gibt es mehr Entwürfe als beherzte Politiker, die zur Tat streiten.
In Hamburg wurden die Türme kurzerhand abgegraben, in Berlin abgetragen oder gesprengt. In Wien stehen sie noch. Die sechs Wiener Flaktürme sollten als „Denkmäler des Endsiegs“ die Ewigkeit überdauern, sie waren Teil der NS-Prunk und Propagandabauten und hatten durchaus auch ästhetische Ansprüche, auch wenn das dem heutigen Betrachter als unwahrscheinlich vorkommen mag. So spielte die demokratische Nachkriegskultur ungewollt den ehemaligen Machthabern in die Hand, einerseits, weil die Türme nach dem Krieg als Speicher für Lebensmittel gebraucht werden konnten, andererseits weil es für die teuren Abbrucharbeiten schlichtweg kein Geld gab. Wie die Autorin richtig bemerkt, wurde die Aussagekraft der Türme als Mahnmale gegen den Krieg stets überschätzt und es ist dringend notwendig Hinweise anzubringen, die verdeutlichen, dass sie eine Erinnerungsfunktion haben sollen und diese müsste auch exakt beschrieben werden. Einen Anfang machte die KPÖ, deren Mahntafel aber bald von Unbekannten entfernt wurde. Eine andere Aktion des Künstlers Lawrence Weiner ist zu wenig deutlich, als dass sie als Absage gegen den Faschismus interpretiert werden könnte: „In the Stillness of the Night“, der Schriftzug, der auf einem innerstädtischen Flakturm angebracht wurde, was soll er bitte bedeuten? (Noch dazu mit einer seltsamen deutschen Übersetzung auf der anderen Seite des Turmes.)
1945 waren 21 Prozent aller Wiener Wohnungen unbewohnbar. 3464 völlig zerstört, 8517 beschädigt. Die Flaktürme waren ihrer eigentlichen Funktion, dem Schutz des Luftraums über Wien, nicht wirklich nachgekommen, aber immerhin boten sie Tausenden Menschen Bunkerschutz vor den Fliegern. Die Schätzungen reichen von 15.000 bis 40.000 Menschen pro Turm. „Die insgesamt 16 Flaktürme lassen sich in drei Bautypen einteilen, wobei sich die am weitesten entwickelten und perfektionierten Türme in Wien befinden.“, schreibt die Autorin. Die Türme wurden immer paarweise errichtet, (Gefecht- und Leitturm) da auf einem das Radar stand und auf dem anderen die eigentliche Luftabwehr, deren Kanonen eigene Kanäle für die schnelle Entsorgung von Patronen hatten. Durch die Feldaufstellung der Türme entstand ein großes Bauvolumen, dessen äußere Abmessung 75 x 75 Meter bei einer Höhe von 40 bis 50 Meter über dem Straßenniveau betragen habe. So sollten von jedem Turm jeweils 20 km Luftraum überwacht werden können.
Die einzelnen Kapitel zur Planung der Flaktürme, der Wiener Gedächtnislandschaft, der Baugeschichte und Nutzung, der Ästhetik und dem Architekten Friedrich Tamm werden durch zahlreiche Fotos und Baupläne ergänzt, sodass ein komplexes Bild der „Schandmäler“ entsteht. Ute Bauer gelingt in ihrer Geschichte der Wiener Flaktürme das, woran sich viele Gemeindepolitiker seid Jahren viel weniger erfolgreich bemühen. Sie bringt nicht nur Licht in ein dunkles Kapitel der Wiener Geschichte, sondern ermahnt auch die Verantwortlichen der Stadt an ihre Pflicht, die Flaktürme als Mahnmale gegen Krieg und Faschismus zu kennzeichnen. Ein „Niemals vergessen!“ wäre da sicherlich angebrachter, als „in the stillness of the night“ oder wie auch immer.
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2009-02-06)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.