„Wir lernen im Gehen“ heißt eine der zentralen Aussagen dieser „Geschichte von unten“, die die Revolutionen von den Bauernkriegen bis heute nacherzählt. In der ursprünglichen Fassung mit der die österreichische Band „Die Schmetterlinge“ in den Siebzigern auf Tournee ging, dauert die „Geschichte der Revolutionen“ nur bis 1968, schließlich hatten sich damals viele erhofft, dass diese Revolution auch in Mitteleuropa kommen würde, und zwar: heute! Aber als „die“ Revolution Mitte der Siebziger immer noch nicht gekommen war, ging man eben mit ihr hausieren und damit auf Tournee. 2015 haben junge Menschen, die damals noch nicht einmal geboren waren, die Geschichte bis heute fortgeschrieben, deswegen das „FF“ im Titel dieser neuaufgelegten Proletenpassion. Das Werk Ungers ist dadurch wieder in aller Munde und unlängst wurde das Stück sogar wiederaufgeführt und vielleicht folgt auch eine weitere Tournee. Als Grundlage dazu hat der mandelbaum Verlag die Texte von damals neu aufgelegt und erweitert, kommentiert, sowie mit Fotos ergänzt. Ein Lesegenuss der ganz besonderen Art und eine Anleitung zur Revolution, denn mit diesen Liedern auf den Lippen lässt es sich sehr munter revoltieren.
Der Prolet – damals noch ein Held!
Die Geschichte des „Proleten“ wird in mehreren historischen Stationen erzählt und auch auf die Opfer nicht vergessen. So zieht der Text aus den Verlusten der Commune de Paris (1871) etwa den Schluss, dass die Partei gefehlt habe, um das Proletariat zum Sieg zu führen. Damals – als das Wort Prolet noch einen kämpferischen Klang hatte und sich nicht auf dumpfe Vorstadtfamilienoberhäuptlinge bezog – sollte auch die Partei den Sieg erringen und dazu hätte es wohl einer solchen eisernen Faust bedurft, wie jener des Wladimir Iljitsch Uljanow der da im „Jalava-Lied“ in einer finnischen Lokomotive der Weltrevolution entgegenrauscht. Das „Lied der Partei“ will die Fehler der Commune wieder gut machen, aber auch die Partei brachte dann 1917 doch nicht den Sozialismus oder die Diktatur des Proletariats, sondern jene des Generalsekretärs. Auch in den Siebzigern glaubte man noch an die Volksführer, an Lenin, Mao oder sogar Stalin, bis endlich ganz Grausliches ans Licht kam. Deswegen braucht man aber noch lange nicht auf Utopien zu verzichten, nur weil sie in den Abgrund der Geschichte führen. Denn ein neuer Morgen graut schon!
Die Passion zur Revolution
Die Proletenpassion ist deswegen so wichtig, weil sie zeigt, dass es immer schon Widerstand gab, und sich seine Geschichte durch mehrere Jahrhunderte zieht. Solche Traditionen und vor allem das Wissen darum muss deswegen bewahrt werden, damit auch zukünftige Generationen sich ihrer bedienen und daraus Kraft schöpfen können. Die letzte Aufführung der Proletenpassion der Schmetterlinge führte übrigens zur Besetzung der Arena Schlachthöfe in Wien und diese stellen auch heute noch ein Beispiel eines anderen Lebenszusammenhanges dar, der sich nicht der Profitmaximierung und Kapitalakkumulation – wie es wohl richtig im Jargon der damaligen Zeit heißt – unterwirft. Eine andere Welt ist möglich, das zeigen auch Initiativen wie occupy oder attac und so sind diese Erscheinungen der Postmoderne nicht zuletzt auch ein Ergebnis vergangener, misslungener Revolutionen: „Der lange Marsch durch die lange Nacht/der Geschichte hat uns stark gemacht./Wir sind auf dem Weg und wir haben Sinn,/ unser Ziel zu erreichen, denn wir wissen, wohin. (…) Wir lernen im Vorwärtsgehen,/wir lernen im Gehen.“ Mit viel Passion zur Revolution, eine kämpferische Lektüre zum Jahresbeginn.
Heinz R. Unger
Proletenpassion FF
mandelbaum Verlag
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2015-02-13)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.