Die Vorstellung kennt jeder, der sich einmal selbst kritisch mit seinem Leben und seiner Endlichkeit auseinandergesetzt hat. Dass man an seinem Lebensende (das sich ja jederzeit einstellen kann) das Gefühl haben möchte, ein erfülltes, ein sinnvolles Leben geführt zu haben, gleich, wie lange es nun gewährt hat.
Genauso bekannt ist die Erkenntnis, dass auch die wenigen Menschen, die über diese Fragen einmal nachgedacht haben, sie auch schnell wieder vergessen. Die Verdrängung unserer Sterblichkeit und unserer Endlichkeit, die Tabuisierung des Todes aus der Öffentlichkeit unserer Gesellschaft ist nach wie vor ein Fakt. Doch wenn die ARD wie in diesem Jahr um die Woche zwischen Volkstrauertag und Totensonntag in Funk und Fernsehen eine Themenwoche zum Thema Tod und Sterben durchführt, ist das zusammen mit anderen Entwicklungen wie den Hospizen oder einer sich immer mehr verändernden Bestattungskultur ein Zeichen dafür, dass sich in der Betrachtung des Todes etwas verändert.
Das vorliegende Buch der seit langem in der Sterbebegleitung tätigen Doris Tropper ist eines von vielen literarischen Zeugnissen dafür. Aus der Begegnung mit vielen Sterbenden, die sie in einer Auswahl in ihrem Buch dokumentiert, hat sie gelernt, dass die meisten Menschen erst im Angesicht des nahen Todes darüber nachdenken, was die Essenz ihres Lebens war, was wirklich wichtig gewesen wäre, welche Irrwege sie zu lange beschritten und was sie sich selbst und anderen gegenüber versäumt haben zu sagen oder zu tun.
Doris Tropper hat die zentralen Botschaften, die ihr die Menschen, die sie begleitete, auf dem Sterbebett verraten haben, in zehn Gebote gefasst:
1. Genieße den Tag, als gäbe es kein Morgen.
2. Blicke nicht in Trauer zurück auf das, was nicht möglich war.
3. Gehe mit Gelassenheit in den neuen Tag, denn er wird schön werden.
4. Übe dich in Geduld und verliere nie die Hoffnung und die Zuversicht
5. Suche mitten im Alltag Oasen und genieße die kleinen Freuden des Lebens
6. Bleibe beweglich in Körper und Geist, aber verausgabe dich nicht ganz
7. Dinge, die nicht zu ändern sind, warten darauf, losgelassen, verabschiedet oder ins Leben integriert zu werden
8. Verliere nie die Neugierde und die Freude am Erforschen und Ausprobieren
9. Betreibe regelmäßig „Wurzelpflege“ und definiere deinen eigenen Standort neu
10. Denke nicht immer nur an die anderen, sondern auch an dich selbst
Das Buch ist eine freundliche Einladung an alle, die es lesen, sich die oben erwähnten Fragen zu stellen und Gedanken zu machen, solange wir noch mitten im Leben stehen, und uns noch die Zeit geschenkt ist, all die Erkenntnisse und Antworten auch umzusetzen, und sei es nur in Ansätzen.
Doris Tropper, Hätte ich doch … Von den Sterbenden lernen, was im Leben wirklich zählt, mvgverlag 2012, ISBN 978-3-86882-280-9
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2013-07-10)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.