Auf der Film-Internetseite schreibt der Regisseur: „Mein Film ist kein Balkanfilm, inhaltlich aber auch kein rein deutscher Film. Ich kann nur aus meiner eigenen Welt erzählen, einer Welt zwischen den Ländern. Doch gerade diese Welt ist auch und immer mehr deutsche Realität …“ Todorović, Jahrgang 1977, geboren und aufgewachsen in Deutschland, hat einen Montenegriner zum Vater und eine Tschechin zur Mutter. Von den acht Hauptdarstellern seines 2011 herausgekommenen ersten Spielfilms „Sascha“ tragen nur zwei deutsche Familiennamen, fünf einen serbokroatischen und ein chinesischer ist auch dabei.
Das Ehepaar Petrović im Film ist um die fünfzig, zu Beginn des Jugoslawienkrieges emigriert. Sie haben gerade mit dem ältesten Sohn Sascha in Montenegro, der Heimat des Vaters, Sommerurlaub gemacht. Die Mutter stammt aus Zagreb. Auf dem Rückweg nehmen sie in Bosnien Onkel Pero mit, er soll ihnen daheim in Köln das Bad renovieren. Aber was ist daheim? Schon auf der Autofahrt wird klar, dass die Ansichten darüber auseinandergehen. Mutter Stanka sieht die Zukunft der Familie am Rhein. Sohn Sascha ist in Gedanken nur dort, der jüngere Bruder Boki ist gar nicht erst nach Montenegro mitgekommen. Vater Vlado, Gastwirt im Eigelsteinviertel, zieht es jedoch zurück auf den Balkan. Zwischen diesem und Mitteleuropa liegt, Schengen hin oder her, noch immer eine Art Chinesische Mauer, die die Barbaren von jenseits in Schach halten soll. Die österreichischen Zöllner lassen nicht mit sich spaßen …
Nach dieser kraftvollen Ouvertüre da unten ist die Familie in Köln wieder vereinigt und taucht in ihren Alltag ein, und der ist nun vom raschen Zerfall des Familienzusammenhalts geprägt. Als Sprengsatz erweist sich Saschas bisher sorgsam gehütetes Geheimnis: Er, die große Hoffnung der Familie, ist schwul und in seinen Klavierlehrer verliebt. Von ihm enttäuscht, vermasselt der Junge die Aufnahmeprüfung am Konservatorium und löst damit eine Kettenreaktion aus. Vlado greift zur Waffe und … Aber mehr soll hier nicht verraten werden. Am Ende kehren zwei nach Ex-Jugoslawien zurück und die Übrigen orientieren sich in Deutschland neu.
Der Film ist als Tragikomödie angelegt, wobei die Betonung auf Komödie liegt. Die raschen, witzigen Dialoge sind eine der Stärken des Werks. Wie die Darsteller ihre Rollen ausfüllen (stellvertretend für alle seien nur Saša Kekez als Sascha und Tim Bergmann als Klavierlehrer genannt), mit wie viel Spielfreude und Prägnanz das geschieht, es ist auch eine große Freude für den Zuschauer. Das tröstet sogar über das etwas zu konventionelle Drehbuch - wie aus dem Musterbaukasten der Fernsehspielästhetik, mit der üblichen Häufung von Zufällen – weitgehend hinweg. Die etwas flaue Bildsprache des Films hat unter anderen schon DIE ZEIT in ihrer Kritik zu Recht bemängelt – auszunehmen davon allerdings die herrliche Vorspielszene im Konservatorium. Entschädigt wird man durch eine ungewöhnlich sorgfältig zusammengestellte Filmmusik, sie unterstützt hervorragend den insgesamt doch starken, bewegenden Eindruck des Streifens.
Der Film beweist: Multikulti, zuletzt vor allem ein Schimpfwort aus dem Lager rechts von der politischen Mitte, lebt also doch, zwar mit Wachstums- und Anpassungsschmerzen, dennoch vital und mitten in unserer Gesellschaft. „Sascha“ ist inzwischen auch als DVD zu bekommen (Edition Salzgeber), mit reichhaltigem Bonusmaterial.
[*] Diese Rezension schrieb: Arno Abendschön (2013-02-20)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.