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Uwe Timm - Die Entdeckung der Currywurst
Buchinformation
Timm, Uwe - Die Entdeckung der Currywurst bestellen
Timm, Uwe:
Die Entdeckung der
Currywurst

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(Bücher frei Haus)

Lena Brücker soll sie geheißen, die „Entdeckerin“ der Currywurst, denn die „Erfinderin“ kann sie unmöglich gewesen sein, davon gibt es wohl nicht nur eine. Frau Brücker teilt ein typisches deutsches Hausfrauenschicksal. Von ihrem Mann, dem Gary Cooper Hamburgs, früh wegen anderen Frauen verlassen, versucht sie sich auf ihre Weise durchzuschlagen und ...überlebt. Der Autor lernte sie als Imbissbudenbesitzerin kennen und erst als sie nicht mehr da ist auch lieben. Er vermisst sie und macht sich auf die Suche nach ihr, bis er sie in einem Altenheim findet und sie einige Wochen lang mit Torten versorgt, damit sie ihm ihre Geschichte erzählt. Eigentlich ist der Protagonist nur an der Entdeckerin der Currywurst interessiert und weniger an der Person selbst. Doch er erfährt sehr viel Persönliches über Frau Brücker und manchmal muss selbst er schlucken und vergisst auf das eigentliche Ziel seines Unterfangens: das Rezept der Currywurst.

Uwe Timm ist eine einfühlsame, witzige Novelle gelungen, die erzählt wie es gewesen sein könnte. Vielmehr noch aber erzählt er ein typisches deutsches Schicksal, nämlich wie deutsche Frauen während und nach dem Krieg ohne ihre Männer überlebten und auch ihren Beitrag dazu leisteten, das System zum Einsturz zu bringen, egal wie klein oder groß oder egoistisch oder altruistisch dieser Beitrag nun gewesen sein mag. „Is vielleicht das Beste, was ich gemacht hab, einen verstecken, damit er nicht totgeschossen wird und auch nicht andere totschießen kann“, denkt sich Frau Brücker. In den letzten Wochen des Krieges hat sie ein Verhältnis mit Hermann Bremer und dieser entscheidet sich nach einer heftigen Liebesnacht, nicht mehr zu seiner Einheit zurückzukehren, sondern sich bis Kriegsende bei Lena zu verstecken. Ihr Mann kommt ohnehin nicht mehr zurück, wohl auch an der Front verschollen oder hat sich selbst irgendwo versteckt. Lena schiebt das Kriegsende nun immer weiter hinaus, denn sie weiß, sobald Hermann davon erfährt, wäre er auf und davon. So verheimlicht sie es ihm, um weiter in den Genuss des gemeinsamen „Matratzenfloßes“ zu kommen, das sich die beiden auf den Fußboden gelegt haben, um die Nachbarn nicht argwöhnisch werden zu lassen. „Aber so neben ihm liegen war einfach schön. Körper an Körper. Auch so kann miteinander reden, ohne ein Wort zu sagen.“ Der Blockwart Lammers, der in ihrem Haus wohnt, entwickelt sich zusehends zu einem Problem, doch als der Krieg vorbei ist, kann Lena ihren Hermann dann doch noch etwas länger genießen als vorgesehen.

Der Autor hat eine authentisch klingende Geschichte erzählt und ich kann es jedem nur empfehlen, zuerst das Buch zu lesen, bevor er oder sie sich den Film dazu ansieht. Die Sprache ist sehr nah am Geschehen, manchmal unterhält man sich fast selbst mit Frau Brücker und sieht ihr zu, wie sie eine Masche des Wolkenpullovers wieder aufnimmt. „Dass es auch in dunklen Zeiten helle Augenblicke gibt und dass die um so heller scheinen, je dunkler die Zeiten sind.“ Dieser Satz scheint wie ein Vermächtnis, dieser wunderschönen Geschichte, die oft traurig und melancholisch, dann wieder witzig und charmant genau das zeigt, was das Leben wohl ausmacht: Authentizität.

Uwe Timm ist Jahrgang 1940 und in Hamburg geboren. Er studierte Philosophie und Germanistik in München und Paris. Seit 1971 ist er freier Schriftsteller und wurde durch „Heißer Sommer“ (Rezension auf unserer Buchseite) und „Am Beispiel meines Bruders“ oder „Halbschatten“ im deutschen Sprachraum bekannt. Die Verfilmung von „Die Entdeckung der Currywurst“ wurde von Ulla Wagner mit Barbara Sukowa und Alexander Khuon in den Hauptrollen 2007 realisiert und ist in diesen Tagen, September 2008, in Deutschland im Kino angelaufen.

Uwe Timm
Die Entdeckung der Currywurst
Novelle

2008
Deutscher Taschenbuchverlag
www.dtv.de
ISBN: 978-3-423-08394-2
186 Seiten
8,90.-

[*] Diese Rezension schrieb: Juergen Weber (2008-11-28)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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