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Hunter S. Thompson - Hell´s Angels
Buchinformation
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Thompson, Hunter S.:
Hell´s Angels

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(Bücher frei Haus)

„Die Tagespresse ist das Grundübel der modernen Welt“, schrieb Sören Kierkegaard in seinen Tagebüchern 1853 und Hunter S. Thompson – von vielen auch der Erfinder des Gonzo-Journalismus genannt – weiß wovon er spricht, wenn er den dänischen Philosophen in einem Buch über die „Hell’s Angels“, Amerikas berüchtigsten Motorradclub, zitiert. Wie er in seinem zweiten Kapitel „Die Erschaffung der Bedrohung, 1965“ seines Tatsachenromans nahezu akribisch nachweist, war selbst die „Vergewaltigung von Monterey“ nur eine Erfindung der Medien, um an den Angels saftig mitzuverdienen. Denn womit ließe sich die Auflage besser steigern als durch „Großstadt-Vandalen“, die plündernd durch das Land zogen, um nichts als Verwüstung zu hinterlassen. Die beiden anscheinend in Monterey vergewaltigten Damen, wurden einem Lügendetektortest unterzogen und verweigerten zuvor schon die Aussage. Aber vielleicht spielte ja auch der Film „The Wild One“ von 1954 mit Marlon Brando eine gewisse Rolle, bei der Beurteilung der Hell’s Angels durch die Presse.
Der Retter in der Not
„Wenn die Hell’s Angels-Saga irgendetwas bewies, dann die gewaltig Macht des New Yorker Establishments“, schreibt Thompson und gibt zu bedenken, dass die Gang wohl gerade deswegen so berühmt wurde, weil ihnen nach Monterey endlich jene Aufmerksamkeit zu Teil wurde, die ihnen ein Jahrzehnt lang verweigert worden war. „An einem Tag noch waren sie eine Pennergang gewesen, die gerade mal so über die Runden kam – und vierundzwanzig Stunden später hatten sie es mit Reportern, Fotografen, freien Journalisten und allen möglichen anderen Gaunern aus dem Showgeschäft zu tun, die ihnen das große Geld versprachen.“ Thompson beschreibt nachvollziehbar die Genese der bösen Jungs auf ihren Bikes als eine Erfindung der Journaille, da sie etwas zutiefst Amerikanisches ansprachen: „Die Idee des `Motorrad´-Outlaws war so uramerikanisch wie der Jazz. Etwas wie sie hatte es noch nie gegeben. In mancher Hinsicht schiene sie eine Art Anachronismus zu sein, ein Überbleibsel aus der Epoche des Wilden Westens. In jeder Hinsicht aber waren sie so neu wie das Fernsehen.“ Und das Publikum dürstete nach Unterhaltung.
“Die Drogen-Kabbala und eine Wand aus Feuer“
Zwei weitere düstere Kapitel der Hell’s Angels Saga waren „Die Plünderung von Bass Lake“ und die Gräueltat von Clovis, bei der es sich augenscheinlich um eine sexuelle Perverse handelte und nicht um eine Vergewaltigung, wie Thompson behauptet. Thompson spricht die Angels auch frei von diesem Vorwurf, zitiert Angels Mitglieder, aber auch die Tatsache, dass es zwar viele Vergewaltigungen gäbe, wovon die meisten aber nicht von Angels begangen wurden. Auch nur wenige wurden dafür rechtskräftig verurteilt. Es gebe eben auch Frauen, die etwas Aufregendes erleben wollten und wer sich dabei in die Hände der Angels begibt, weiß ohnehin was auf ihn zukommt. Thompson, der beinahe ein Jahr mit den Hell’s Angels lebte beschreibt den Motorradklub als Insider und so erfährt der Leser viele Details über sie, etwa auch, dass es sogar einen schwarzen Motorradclub gab, die East Bay Dragons. Thompson berichtet aber auch von Mark Twains beliebtester Sexualpraktik, erklärt die Farben für die Flügelsymbole auf der Hell’s Angels Kutte (rot, schwarz, braun) und bemerkt, dass die Angels trotz ihres Hakenkreuzfimmels eher kommunistisch lebten. Ihr schweren Motorräder hätten sie meist in Eigenregie von 320 auf 230 Kilo abgespeckt, um schneller zu sein. Die Bedeutung des Begriffes „Mama“ in der Angels Prosodie wird ebenso erklärt wie deren ideologische Ausrichtung: „Wenn es ernst wurde, standen die Hell’s Angels genau auf einer Linie mit der Polizei, dem Pentagon und der John Birch Society“, so Thompson.
b]99:1
Das über mehrere Seiten im Buch zitierte Ginsberg Gedicht, in dem Zeilen vorkommen wie „Alle isolierten Identitäten sind bankrott – Spießer, Beatniks, Juden, Schwarze, Hell‘s Angels, Kommunisten und Amerikaner.“ sollte eine Allianz aller Outlaws of America heraufbeschwören, stattdessen bot Barger, der Angels-Anführer, in einem öffentlichen Brief seinen gesamten Club dem Präsidenten für den Kriegsdienst in Vietnam als „geschulte Gorillas (sic!)“ an. „Der Unterschied zwischen den Studenten und den Hell’s Angels bestand vor allem darin, dass die Studenten gegen die Vergangenheit aufbegehren, wohingegen die Angels gegen die Zukunft kämpfen. Gemeinsam ist ihnen einzig die Verachtung für die Gegenwart, den Status quo.“ Die Studenten und Intellektuellen des linken Berkeley und die Hell’s Angels standen sich also ganz konträr gegenüber, die einen die 99%er, die anderen die 1%er: „Wir sind die Einprozenter, Mann: Das eine Prozent, das nicht dazugehört und dem das scheißegal ist. Also erzähl mir nichts von deinen Arztrechnungen und Haftbefehlen wegen Verkehrsvergehen – schnapp dir deine Frau, deinen Bock und dein Banjo und dann ab…“, zitiert Thompson die Angels.
Thompsons unvegleichlicher Stil, seine Fähigkeit, immer wieder Zitate einzuweben und die Protagonisten auch selbst sprechen zu lassen, sowohl die Polizei als auch die Angels, machen dieses Buch zu einem unvergleichlichen Vergnügen voll lebendigen Lebensgefühls und Esprit.

HUNTER S. THOMPSON
Hell's Angels Originaltitel: Hell's Angels
Aus dem Amerikanischen von Jochen Schwarzer
Taschenbuch, Broschur, 448 Seiten, 11,8 x 18,7 cm
ISBN: 978-3-453-67604-6
Verlag: Heyne Hardcore

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2015-03-25)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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