Es ist unser letzter Tag in Bangkok. Auf dem Weg zum Suvarnabhumi-Flughafen kreuzen wir noch einmal die bunten T-Shirt-Stände der Khao San Road. Mit einem offenherzigen Straßenhändler kommen wir ins Gespräch. Als es nach einigen Wortwechseln an die Verabschiedung geht, sagt er, weil er weiss, dass wir jetzt zurück nach Europa müssen, im unbeirrten Ton der Selbstverständlichkeit mit etwas Bedauern und großer Freundlichkeit: "Bis zum nächsten Jahr - in Thailand".
Ich bin verwundert und weiss doch, dass er recht hat. Wie könnte ich ein Jahr verbringen, ohne mir eine Auszeit in Thailand oder den umliegenden südostasiatischen Staaten zu gönnen, in der ich das graue Deutschland mit seinen seelisch oft verkümmerten Menschen hinter mir lasse, all die kalte Rationalität, die lebensvernichtende Ordnung, die Langeweile des Alltags, das schlechte Wetter und das schlechte Essen.
Natürlich werde ich den Straßenhändler nicht wiedertreffen, und wenn, werde ich ihn vermutlich nicht wiedererkennen. Aber nach Thailand werde ich wieder kommen, wenn es geht, jedes Jahr, denn es ist ein Land, das im positiven Sinne süchtig machen kann. Und wenn ich nicht da bin, denke ich oft, wie schön es dort ist, ziehe im Geiste, von der Sonne berückt, in einem fernen Küstenstädtchen vorbei an ausladenden Fischständen in einen Tempel goldenen Lächelns ein.
Ob es Thilo Thielke, Korrespondent für den Spiegel, ähnlich geht, weiss ich nicht. Was ich weiss: Er lebte viele Jahre in Bangkok und hat jetzt im Conbook Verlag in der Reihe "151" ein "Portrait des farbenfrohen Königreichs in 151 Momentaufnahmen" herausgebracht. Diese Reihe versteht sich selbst als neue Art der Reiseliteratur, in der reichlich Bildmaterial neben kurzen textuellen Einblicken in das jeweils besprochene Land steht. Es geht dabei nicht um die Umsetzung eines Systems, in dem kapitelweise trockene Kategorien wie "Geschichte" oder "Kultur" abgearbeitet werden, sondern die Vermittlung eines lebendigen Eindrucks eines Landes, das Betrachten von Splittern, die zusammen ein eindrucksvolles Kaleidoskop ergeben, aus dem heraus sich das Ganze - die Wirklichkeit des Seienden - erahnen lässt. Die Anordnung der 151 Abschnitte, die neugiererweckende Namen wie "Schwimmende Märkte", "Insektenessen" und "Elefantenkrankenhaus" tragen, ist trotzdem nicht chaotisch, denn es ist eine Gruppierung nach thematischen Aspekten erkennbar. Aber das ist eigentlich egal, denn wo man das Buch aufschlägt, erwarten einen Bilder einer schön gearteten Kultur, und selbst der Liebhaber des Landes, den es seit vielen Jahren immer wieder dorthin zieht, erfährt landesspezifische Details, von denen er bisher nicht wusste.
Einen Aufenthalt in Thailand kann und will das Buch selbstverständlich nicht ersetzen und es erreicht formatbedingt auch nicht die visuelle Üppigkeit eines Großbildbandes, noch ist es als Reiseführer zu gebrauchen, aber es lädt ein zum Kennenlernen, Besserkennenlernen und immer wieder zum Träumen. Wenn in Nong Khai die Sonne hinterm Mekong versinkt und der rötliche Lehm an Deinen Schuhen trocknet, wenn Chilischoten wie ein irres Feuer in Deinem Mund brennen, wenn sich Tuk-Tuks gewitzt im Großstadtverkehr bewegen, wenn Fremde Dir freundlich in die Augen blicken...
Thilo Thielke: Thailand 151 – Portrait des farbenfrohen Königreichs in 151 Momentaufnahmen
288 Seiten, Broschur, Originalausgabe
€14,95 [D] - €15,40 [A] - sFr. 21,90 [CH] (UVP)
ISBN 978-3-943176-43-8
[*] Diese Rezension schrieb: Arne-Wigand Baganz (2013-09-28)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.