Biographien nach klassischem Muster sind geschnitten für mediokre Figuren. Nimmt man große Innovatoren, Charismatiker oder Visionäre mit diesem Mittel ins Blickfeld, so kann die klassische Biographie ziemlichen Unsinn hervorbringen. Da werden schnell einmal Kindheitserlebnisse hoffnungslos überzeichnet, Anekdoten bekommen eine Schlüsselposition oder der überforderte Biograph beschreitet die Korridore der Mystifikation, ohne sich dessen bewusst zu sein. Die Figur des Jimi Hendrix hat seit seinem frühen Tod im Jahr 1970 bereits alle Varianten nach sich gezogen und nur wenigen, die sich an den schon zu Lebzeiten zum Mythos entwickelten Musiker wagten, haben es vermocht, das Werden und Schaffen dieses musikalischen Giganten ohne Verblendung zu beschreiben und einige der vielen Rätsel zu entschlüsseln.
Mit der 2008 erstmals erschienen Biographie von Klaus Theweleit und Rainer Höltschl ist es gelungen, die literarische Form für das zu Beschreibende und Analysierende zu finden. Mit einer Dynamik kleist´scher Dimension, die das Prinzip der vorwärts strebenden Handlung adaptiert und einer Dramaturgie, die die gewöhnlichen Spannungsmomente einer tradierten Biographie ausschließt, entwerfen die Autoren ihren Plan, der der revolutionären Dimension von Hendrix´ Werk sehr gut entspricht.
So beginnt das Buch gleich mit dem tragischen Countdown der letzten Lebensmonate und beschreibt die immer schlechter werdenden Konzertauftritte, weil ein vom Booking gieriger Manager und dem eigenen Schaffensdruck ruinierter junger Mann, der bereits körperlich das Greisenhafte als Vorboten des finalen Endes spürt, einfach nicht mehr kann. Erst danach dringen die Autoren in die Kindheit ein, um mit der Treffsicherheit von Jägern die prägenden Erlebnisse aufspüren, um sich schnell wieder zu entfernen und mit der Entmystifizierung des Produkts Jimi Hendrix zu beginnen. Der Leser erfährt schnell, dass die Bühnenakrobatik des hinter dem Kopf und mit den Zähnen spielenden Gitarristen zum Standardrepertoire eines jeden gehörte, der auf den Tourneen des Chitlin´Circuit im Süden gehörte.
Der Musiker, Komponist, Lyriker und Techniker Jimi Hendrix musste gegen die eigene Produktvorstellung kämpfen, um das machen zu können, wovon er überzeugt war, dass es zu seinem Auftrag gehörte. Nächtelang frickelte er in Studios herum, um den richtigen Sound zu finden, er träumte von Farben und spielte in seiner Vorstellung in diesen und er schrieb Texte, die nicht allein durch den Treibstoff Droge, mit dem er dieses Tempo durchhielt, zu erklären sind. Das Buch macht deutlich, dass Galaxien und Energien das Medium dieses Musikers waren, der mit 27 Jahren und seiner Experience der Welt drei Alben hinterließ, die mit analoger Hörgewohnheit nicht mehr begriffen werden konnten und weit davon entfernt sind, auf digitale Dimensionen reduziert werden zu können.
Das Buch hat mich inspiriert, wieder und wieder einmal ein Stück der Jimi Hendrix Experience anzuhören, weil ich seelisch nur kleine Dosen aushalte. Ich habe mehr davon begriffen, und das ist ein Verdienst der Autoren. Mit meinen Emotionen bleibe ich jedoch alleine, und die haben mir schon immer suggeriert, dass da Energien im Spiel sind, die ich nie werde zu ende fühlen können, between the sun and the bottom of the deep blue sea…
[*] Diese Rezension schrieb: Gerhard Mersmann (2009-08-11)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.