Dieses ehrliche und radikale literarische Selbstzeugnis von Lutz Taufer ist ein wichtiges Dokument der Zeit- und Widerstandsgeschichte der alten BRD zwischen 1960 und 1980. Das ehemalige und zu eine langen 20-jährigen Haft verurteilte RAF-Mitglied Lutz Taufer beschreibt darin seinen einer permanenten Suchbewegung gleichenden Lebensweg, der ihn aus den ersten Protesten in der badischen Provinz in Freiburg zum Sozialistischen Patientenkollektiv in Heidelberg führe, bevor er als Mitglied des Kommandos Holger Meins der RAF verhaftet und zu 20 Jahren verurteilt wurde. Er beschreibt schonungslos seine Haft, seine zahlreichen Hungerstreiks und dann seine Basisarbeit in den Favelas von Rio de Janeiro nach seiner Freilassung.
Es ist ein Leben in verschiedenen Zusammenhängen der linksradikalen Geschichte des Landes, ein Dokument, das nichts schönredet, sich mit gemachten Fehlern schonungslos auseinandersetzt und so zu einem wichtigen Werk der Protestgeschichte der 1960 bis 1980 er Jahre wird.
Selten hat man von einem ehemaligen RAF-Mitglied eine ehrlichere Auseinandersetzung gelesen über die Zerstörung des einst emanzipatorischen Anspruchs durch maßlose und gegen unschuldige Menschen gerichtete Gewalt. Aber auch die extreme Repression in der Haft wird von Taufer in einer so vorher nicht gekannten Dichte beschrieben.
Die Emigration nach Brasilien und sein Engagement in den Favelas und seine Arbeit im Vorstand des Weltfriedensdienstes, die er anschaulich beschreibt, haben nicht nur seinem Leben einen neuen Sinn gegeben, sondern zeigen dem Leser, dass ein Mensch sich ändern kann ohne seine Grundprinzipien aufzugeben.
Ein wichtiges Zeitdokument und ein herausragendes Beispiel an biographischer Genauigkeit und kritischer Selbstreflexion.
Lutz Taufer, Über Grenzen. Vom Untergrund in die Favela, Assoziation A 2017, ISBN 978-3-86241-457-4
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2017-07-07)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.