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Andrej Tarkowski - Solaris
Buchinformation
Tarkowski, Andrej - Solaris bestellen
Tarkowski, Andrej:
Solaris

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(Bücher frei Haus)

„Das einzige was mir bleibt: Warten. Worauf? Weiß ich nicht. Auf neue Wunder?“, sagt Snaut zu Kris Kelvin, der als Psychologe auf den Planeten Solaris geschickt wurde, um die dortigen chaotischen Zustände aufzuklären. Die Forschungsstation, die über dem von einem riesigen Ozean bedeckten Planeten schwebt, wird nur mehr von den beiden Wissenschaftlern Snaut und Sartorius bewohnt. Der dritte Wissenschaftler und „Bewohner“, Gibarian, hat sich in einem Zustand geistiger Verwirrung umgebracht. Kris soll nun aufklären, ob es sich um ein Verbrechen handelt oder nicht, aber er wird bald selbst in die unheimlichen Ereignisse an Bord hineingezogen, denn am nächsten Morgen wacht er neben seiner toten Frau Hari auf, für deren Selbstmord er sich verantwortlich fühlt. Aber auf Solaris ist Hari nicht tot: sie lebt! Die beiden Kollegen erklären ihm, dass es sich wohl um eine Art Rache des rätselhaften Ozeans auf Solaris handle, der Intelligenz besitze. Sie hatten ihn im Zuge eines Tests mit harter Röntgenstrahlung beschossen und darauf antworte er nun, indem er Inhalte aus dem Gedächtnis der Wissenschaftler, die das Gewissen betreffen, materialisiert und sogenannte „Gedächtnisinseln“ reaktiviere.

Bedrohung Gedächtnisinsel
„Hari 2“, wie Kris die Replika-Version seiner Frau fortan nennt, entwickelt bald ein eigenes Bewusstsein, obwohl sie weiß, dass sie nur ein Duplikat der erinnerten Hari auf der Erde ist. Sie verteidigt Kris gegen seine Kollegen und führt an, dass er sich als einziger menschlich verhalten habe, da er sie liebe, so wie sie ihn. Die anderen hätten nur versucht, ihre Erinnerungen zu töten oder zumindest zu nihilieren. Trotzdem lässt sie sich schließlich von Sartorius überzeugen, sich in einem Annihilator vernichten zu lassen, da Kris unter ihrer „Existenz“ leide. Kris muss also den freiwilligen Selbstmord seiner echten Frau noch einmal durch den (un-)freiwilligen Selbstmord seiner Solaris-Frau durchmachen. Die wissenschaftliche Wahrheitsfindung gerät so erneut in den Konflikt mit der sensitiven Form der Wahrheitsfindung. Wie so oft bei Tarkowski stehen nämlich Wissenschaft und Kunst im Widerspruch. Die letzte Einstellung zeigt Kris wie er zu seinem Vater zurückkehrt und durch die Fenster des Hauses am Teich schaut, um zu sehen wie auch sein Vater vom Ozean (des schlechten Gewissens) beregnet wird, und das im Haus. Während es draußen also ganz normales Wetter hat, regnet es im Haus auf den Vater herab, er tritt nass aus dem heraus und Kris fällt vor ihm auf die Knie. Die Kamera fährt hoch, zeigt bald das Haus aus der Vogelperspektive, bald eine Insel, eine Gedächtnisinsel, die vom Ozean verschlungen wird.

Schuld und Sühne
Es gibt insgesamt drei Verfilmungen des Science-Fiction-Romans „Solaris“ von Stanisław Lem aus dem Jahre 1961. Lidiya Ishimbayeva und Boris Nirenburg versuchten sich 1968 daran, Steven Soderbergh zuletzt 2002 und Andrei Tarkowski 1972. Aber Tarkowski hat eigentlich gar keinen Science Fiction Film gedreht, sondern eine Reflexion über Schuld und Sühne. Die letzte Einstellung, die auch sein Verhältnis zu seinem Vater wiederspiegelt könnte auch so interpretiert werden, dass er durch seine Abwesenheit, seinen Flug zum Planeten Solaris, auch noch seinen Vater verloren hat. Deswegen fällt er vor dem imaginären, dem Vater der Gedächtnisinsel, auf die Knie und bittet ihn um Verzeihung. „Es geht um den Konflikt zwischen Selbstüberwindung, gefestigter Überzeugung und sittlicher Wandlungsfähigkeit einerseits sowie mit den Bedingtheiten des eigenen Schicksals andererseits. Der geistige Horizont des Romans hat nichts mit der Gattung Science-Fiction gemein. SOLARIS nur wegen des Genres zu schätzen, würde dem Gehalt nicht gerecht.“, erklärte der Regisseur selbst in einem Interview zu „Solaris“ in den Achtzigern.

Stilbildende Vorwegnahme filmischer Trends
Kris hat zwar niemanden umgebracht, aber er fühlt sich schuldig und verantwortlich für den Tod seiner Frau und muss dies durch den zweiten Verlust, den seines Vaters, sühnen. Tarkowskis Film ist mehr als nur eine Reflexion über die ewigen Fragen der Menschheit. Solaris kann zweifellos als ein Meilenstein des Genres bezeichnet werden, obwohl der Film dem Genre Science Fiction gar nicht angehört. Dennoch bezogen sich alle namhaften Regisseure auf diesen Film Tarkowskis, da er durch die gewählten Mittel stilbildend wurde. Dazu gehören neben der betörenden Musik von Eduard Artemjew, die unter Verwendung des Choralvorspiels f-moll von Johann Sebastian Bach extra für den Film eingespielt wurde, auch die langsamen Kamerafahrten und die symbolische Metaphorik des Wassers und Feuers, die wohl bei jedem Tarkowski Film eine große Rolle spielen. Zudem legt er in seinen Filmen auch immer großen Wert auf die Tonkulisse insgesamt, etwa, wenn Kris durch eine Autobahnröhre fährt oder die Abfilmung eines Autobahnkleeblatts vom heutigen Zuseher mit Bildern und Musik von Koyaanisqatsi (1982) assoziiert wird. Tarkowski nahm mit seiner ganz eigenen, subjektiven Filmsprache eben vieles schon vorweg, etwa auch wenn er Filmsequenzen, die Erinnerungen in s/w dreht, um dann wieder zur Farbe zu wechseln. Die DVD der Icestorm Entertainment/telepool ist im normalen Fachhandel zu erwerben.

Tarkowski bei Icestorm:
http://www.icestorm.de/catalogsearch/result/?q=Tarkowski

Weitere Programmschwerpunkte, etwa DDR und UdSSR-Produktionen, von Icestorm unter: www.icestorm.de

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2012-06-28)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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